28.01.2012 (jnl)
Wissenschaft als Show-Wettkampf-Veranstaltung, in der die Vortragskunst im Zentrum steht, das definiert den Science Slam. Auch die fünfte derartige Show am Freitag (27. Januar) im Theater am Schwanhof war schon zwei Wochen im Voraus ausverkauft.
Das
Hessische Landestheater Marburg kommt der vorhandenen Nachfrage nicht mehr hinterher. Das Theater musste diesmal tatsächlich gleich drei relativ kurzfristige Absagen ausbügeln. Dabei seien Kandidaten - besonders Geisteswissenschaftler und Frauen - rar.
Warum nimmt man angesichts dieses Mangels nicht einfach mal "Lehr"-Preisträger? Diese ausgezeichneten Dozenten gibt es an jeder größeren Fakultät, die etwas auf sich hält. Ein unmittelbarer Vergleich solcher die Studenten begeisternder Könner - das ist doch auf jeden Fall spannend.
Die vier Wettbewerbs-Teilnehmer dieses Abends lieferten eine hoch vergnügliche Schau. Nur mit Wort, Witz und Beamer-Grafik ausgestattet, bewies jeder Einzelne, dass die Präsentation von Wissenschaft kein staubtrockenes Jonglieren mit Zahlen, Formeln und Begriffen, sondern eine Lust sein kann.
Dr. Dirk Prawitt aus der Kinderklinik der Universität Mainz zeigte in der - nach Vorgabe der Spielregeln - knackigen Kürze von zehn Minuten, worüber er forscht. Das Feld der vererbungsbedingten Kinderkrebs-Fälle wurde dabei hell ausgeleuchtet.
Der Frankfurter Mathematiker Dr. Hartwig Bosse gewann die Herzen der durchweg akademisch gebildeten Zuschauer mit einem sehr lockeren Vortrag über die Kraft der "verborgenen Mathematik" im Alltag. Verblüfft nahm man zur Kenntnis, dass der Pariser Eiffelturm nur deswegen so standfest und zeitüberdauernd ist, weil er der bekannten Formel "e hoch x" genau entspricht.
Der Marburger Diplom-Geograf Dr. Daniel Kelterbaum erläuterte mit Verve und schönen Grafiken, wie sein Ausgrabungsteam am Schwarzen Meer der Siedlungsgeschichte nachspürte. Als vierter Vortragskünstler zeigte der slam-erfahrene Berliner Biophysiker André Lampe, wie ein Könner ein Hightech- Forschungsfeld in eine verblüffend einfache Erzählung stecken und damit alle Wettbewerber übertrumpfen kann.
Technische Messinstrumente der Mikroskopie bekamen bei ihm kindgerechte Namen und Einbettung in eine narrative Struktur wie bei der "Sendung mit der Maus". Auch Fachfremde konnten dadurch leicht in das Thema einsteigen und Zusammenhänge verstehen.
Der Verblüffungseffekt sowie die nonchalante Intensität des Vortrags machten Lampe zum Höchstpunkte-Abräumer. Mit fünfmal zehn Punkten wurde er der Sieger des Abends.
Jürgen Neitzel
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