27.01.2012 (ms)
Zum 40. Mal jährt sich am Samstag (28. Januar) der so genannte Radikalen-Erlass. Diese Regelung machte eine Prüfung der politischen Gesinnung zur Voraussetzung für eine Beschäftigung im öffentlichen Dienst.
Eine "Regelanfrage“ beim Verfassungsschutz ging einer möglichen Anstellung voraus. Betroffen waren Kommunisten, linke Sozialdemokraten und andere Radikaldemokraten.
Lehrer, Beamte im öffentlichen Dienst, Lokführer, Postbeamte und Erzieher wurden "aus dem öffentlichen Dienst entfernt" wie die offizielle Erklärung lautete. Für viele bedeutete das Berufsverbot eine existentielle Bedrohung.
Zum 40. Jahrestag fordert der Kreisvorsitzende der Linken Marburg-Biedenkopf die Aufarbeitung und Rehabilitierung der Opfer: " Die Praxis der Berufsverbote haben die demokratische Kultur in unserem Land schwer beschädigt“, begründete Jan Schalauske seine Forderung.
Seiner Einschätzung nach wirken die Folgen bis heute nach. Die Betroffenen seien noch immer nicht öffentlich rehabilitiert. Vielmehr habe der Verfassungsschutz zur Zeit die politische Linke im Visier, während er sich auf dem rechten Auge blind zeige.
"Der Jahrestag sollte auch Anlass sein, die Überwachung der politischen Linken - insbesondere der Partei Die Linke - zu überdenken“, verlangte Schalauske. Allerdings bezweifelt er eine entsprechende Bereitschaft bei den verantwortlichen Politikern.
Dabei könnten sie sich ein bekanntes Beispiel nehmen. Immerhin habe der einstige Bundeskanzler Willi Brandt die Berufsverbote später als einen seiner Irrtümer bezeichnet.
"Der Radikalenerlass war und ist ein antidemokratisches und antikommunistisches Instrument aus den Zeiten des Kalten Krieges", stellte Schalauske abschließen fest. "Die Aufarbeitung dieser unrechten Politik und eine Rehabilitierung der Opfer muss endlich erfolgen."
In Marburg gehörten damals Herbert Bastian aus Ockershausen und Sylvia Gingoldzu den Opfern dieser Politik. Bastian war im einfachen Dienst bei der Post beschäftigt. Wegen seines Mandats als Vertreter der Kommunistischen Partei (DKP) in der Stadtverordnetenversammlung (StVV) wurde er dort entlassen.
Gingold hatte sich in Marburg für das Lehramt beworben. Sie stammte aus einer verfolgten jüdischen Familie.
Die internationale Öffentlichkeit wie die International Arbeitsorganisation (IAO) in Genf, der Europäische Gerichtshof (EUGH), Gewerkschaften und Verbände in England, Holland und anderen Ländern, Marburgs Partnerstadt Portier sowie zahlreiche Komittees stellten sich hinter die Betroffenen und verurteilten die Praxis der Berufsverbote. In Marburg herausragend gehörten zu ihnen der damalige Oberbürgermeister Hanno Drechsler und der Landtagsabgeordnete Walter Troeltsch.
pm: Die Linke Marburg-Biedenkopf
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