27.01.2012 (ina)
Drei Frauen sitzen an einer langen Tafel. Aber jede von ihnen sitzt für sich. Abwechselnd beginnen sie, zu erzählen, wie alles angefangen hat.
Das Theaterstück "Nordost" von Torsten Buchsteiner feierte am Donnerstag (26. Januar) Premiere in der
Waggonhalle. Die Inszenierung der freien Theatergruppe "playground_EAST" wird im Rahmen des postsowjetischen Festivals "NordOst>WEST" aufgeführt.
Veranstaltet wird dieses Festival ebenfalls von "playground_EAST" in Zusammenarbeit mit dem Kulturzentrum Waggonhalle. Die Reihe findet vom Donnerstag (26. Januar) bis Sonntag (29. Januar) statt.
Bruchsteiner wurde 1964 in Hamburg geboren. 1999 wurde er bereits für sein erstes Theaterstück "Spieler“ beim Rostocker Autorenwettbewerb geehrt. Für sein Theaterstück "Nordost“ erhielt er 2005 den Else-Lasker-Schüler-Stückpreis und den Jurypreis der 1. St. Galler Autorentage.
Bruchsteiner schreibt Dramen, Drehbücher und Prosatexte. Der Autor lebt in Berlin.
Das Theaterstück "Nordost" erzählt die Geschichte von drei Frauen, die die Geiselnahme im Moskauer Theater während der Aufführung des russischen Musical-Hits "Nord-Ost" im Oktober 2002 aus drei unterschiedlichen Perspektiven heraus schildern. Olga (Inga Berlin) hat das Musical mit ihrer Familie besucht und wurde zur Geisel. Tamara (Katharina Bohl) bangt vor dem Theater um ihre gefangengenommenen Angehörigen.
Zura (Ricarda Schmidt) schließlich ist eine der Selbstmordattentäterinnen. Langsam beginnt sie, an ihrem Handeln zu zweifeln.
Die Erlebnisse dieser drei Frauen fügen sich zu einer spannungsreichen Erzählung zusammen, in der die Motive der Beteiligten aus ihrer jeweiligen Sicht heraus erläutert werden. Dadurch werden ihre Handlungen nachvollziehbar, wodurch sich die Frage nach der Schuld differenziert betrachten lässt.
Stefan Blix und Linda Udre inszenierten das Stück mit nur wenigen Requisiten. Auch das Bühnenbild hielten sie schlicht.
So kam die Dramatik des Stücks aber viel mehr zur Geltung. Zwischen den verschiedenen Szenen hörte man immer wieder dieselbe dramatische Melodie, während oberhalb der Bühne auf einer Tafel Datum und Uhrzeit angezeigt wurden.
Trotz einiger Versprecher überzeugten alle drei Schauspielerinnen in ihrer jeweiligen Rolle. Das Publikum reagierte erschüttert auf das Stück. Als das Licht ausging, herrschte zunächst beklemmte Stille im Saal.
Danach hörte man vereinzeltes unsicheres Klatschen, das sich dann aber wieder legte. Nach einem erneuten Moment der Stille gab es schließlich einen großen Applaus.
Die Inszenierung ist in jedem Fall empfehlenswert, da sie sehr überzeugend umgesetzt wurde. Durch die Einfachheit des Bühnenbilds und durch die Anwesenheit von nur drei Schauspielerinnen lenkt das Stück die Aufmerksamkeit des Zuschauers auf die wichtigen Aspekte der Handlung.
Zu Ende des Stückes sitzen die drei Frauen wieder an der Tafel, wieder jede für sich. Sie erzählen, wie die Geiselnahme ihr Leben verändert hat.
Ina Neumann
Text 6713 groß anzeigenwww.marburgnews.de