16.01.2008 (sts)
Oskar Lafontaine gilt als großer Redner und Polemiker, aber auch als ein Populist. Legendär war, wie er 1996 mit flammender Rede Rudolf Scharping den SPD-Vorsitz entriss. Höchst umstritten hingegen war seine Äußerung über "Fremdarbeiter“ im Jahre 2005.
Lafontaine polarisiert, aber Lafontaine mobilisiert auch: Das Technologie- und Tagungszentrum (TTZ) war mit seinen 350 Plätzen am Dienstag (15. Januar) jedenfalls nicht ausreichend groß, um die Zuhörer-Menge aufzunehmen.
"Jeder, der die Linke wählt, tut etwas für sich selbst“, war Lafontaines Ausgangsthese, die er in seiner Rede zu belegen suchte. Er prangerte Lohndumping, Hartz IV, Leiharbeit, befristete Arbeitsverträge und Mini-Jobs als "deutschen Sonderweg“ von Seiten des "neoliberalen Blocks“ im Bundestag an.
Er forderte den Mindestlohn ("Ohne Untergrenze ist Ausbeutung angesagt“), die Abschaffung von Hartz IV ("Anreiz für Lohndumping“) und die Reduzierung von Befristungen und Mini-Jobs ("Ohne Sicherheit werden auch keine Kinder in die Welt gesetzt“). 15 Prozent der Arbeitnehmer befänden sich mittlerweile in sogenannten "prekären Beschäftigungsverhältnissen“. Hier sei ein "schleichender Entdemokratisierungs-Prozess“ im Gange.
Viele Menschen, die ihre Zukunft nicht mehr selbst planen könnten, hätten sich aus dem politischen Geschehen zurückgezogen, hätten resigniert. Deren Vertrauen gelte es zurück zu gewinnen.
Am besten mit der Lafontaine-Methode: Formelhafte - aber verständliche - Antworten auf scheinbar äußerst komplexe Fragen, kein Drumherumgerede, sondern klare Aussagen.
An einem Wort machte Lafontaine die Politik der vergangenen Jahre fest: "Lohnnebenkosten". Die beständige Forderung nach Senkung dieser Kosten zur Rettung der deutschen Wirtschaft sei nichts als eine "genial gedachte Täuschung“. Denn diese Senkung betreffe ausschließlich kranke, arbeitslose, pflegebedürftige und alte Menschen.
Lafontaine plädierte für eine Erhöhung der Steuerquote und für die Einführung einer Vermögenssteuer.
Natürlich ließ er in seiner Rede das Thema "Jugendkriminalität" nicht aus. "Gute Schulen sind die besten Erziehungscamps“, hielt er den Forderungen des hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) nach einer Verschärfung des Jugendstrafrechts entgegen. Mit der verkürzten Schulzeit und überfrachteten Lehrplänen habe man in Hessen begonnen, Bildung nach dem Arbeitsmarkt auszurichten. Bildung bedeute aber die Entwicklung einer eigenen Persönlichkeit. Koch habe sich mit seinen Aussagen derart blamiert, dass er sich eigentlich "nur noch mit Burka unter das Volk trauen dürfte.“
Überleitend auf deutsche Beteiligungen an "völkerrechtswidrigen Kriegen“ fügte Lafontaine hinzu: "Es ist besser, Sicherheitskräfte in deutschen U-Bahnen einzusetzen, als am Hindukusch.“
Lafontaines Fazit lautete: "Obwohl Deutschland pro Kopf immer reicher wird, werden die Sozialleistungen immer weiter gekürzt. Die Kinder-Armut steigt und Arbeit wird nicht mehr gerecht entlohnt. „Wer hält dies für ein Ergebnis vernünftiger Politik?“, fragte er abschließend in die Runde. Auch die Antwort auf diese Frage war nun nicht mehr schwer zu finden.
Stephan Sonntag
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