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Aus der Rolle gefallen


Schüler schlichten Streitigkeiten

22.12.2011 (fjh)
"Du schmeißt immer mein Pausenbrot auf den Schulhof, und ich hab’ dann nichts mehr zu essen“, beschuldigt eine Frau eine andere. Weitere Frauen und Männer sitzen dabei und versuchen den Streit zu verstehen und zu schlichten.
Auf Einladung von Walter Hölzer üben 16 Lehrerinnen und Lehrer im Rollenspiel, wie sich ihre Schüler bei Konflikten fühlen und wie sie selber konstruktiv in den Streitprozess eingreifen können. Hölzer ist Leiter der Koordinierungsstelle Gewaltprävention am Staatlichen Schulamt Weilburg.
"In unserem Schulamtsbereich bieten wir mehr als 60 Tage Fortbildungen in den Bereichen Gewaltprävention und Intervention an", berichtet Hölzer. "Durch unser Angebot verbessert sich das Schul- und Klassenklima. Die Schüler haben größere Lernerfolge, und der Unterricht wird weniger gestört“
Shérif Korodowou und Kerstin Bunte vom Marburger Institut Impuls bilden in einem fünftägigen Seminar Lehrer aus, die Schülerstreit-Schlichter an ihrer Schule etablieren und unterstützen wollen. Schüler, die Streitschlichter werden wollen, melden sich dazu freiwillig. In Schulungen lernen sie unter Anleitung ausgebildeter Lehrer, in Auseinandersetzungen von Mitschülern zu vermitteln und Streitigkeiten zur Zufriedenheit aller zu lösen.
"In unserer Grund-, Haupt- und Realschule gibt es schon Schülerstreit-Schlichter, die das richtig gerne machen, ihre Rolle sehr ernst nehmen und so ein Vorbild für die anderen sind“, berichtet Christine Duma. Sie ist Förderschul-Lehrerin an der Viernheimer Haupt- und Realschule.
Die Lehrerinnen und Lehrer, die an der Fortbildung teilnehmen, kommen aus ganz Hessen. Zwei sind sogar aus Lemgo in Nordrhein-Westfalen angereist.
Susanne Schäfer und Kathrin Lalla unterrichten an der Grund- und Förderstufe in Hohenahr-Erda. Sie werden im Frühjahr 2012 im Rahmen einer Projektwoche Schüler der 3. und 5. Klasse ausbilden, die im nächsten Schuljahr Verantwortung als Schülerstreit-Schlichter übernehmen werden.
"Die Streitschlichter können dann von Mitschülern angesprochen werden und danach Missverständnisse noch vor Ort und in den Pausen klären", sagt Schäfer. "Auch Streitigkeiten sollen sie so häufig direkt beenden. So werden Konflikte aus dem Unterricht herausgehalten.“
Die Lehrer berichten, dass die Schülerstreit-Schlichter große persönliche Fortschritte machen. Sie werden sensibilisiert, nehmen Gefühle besser wahr und können sie auch vermitteln.
"Die Kinder machen enorme sprachliche Fortschritte“, beobachtet Lalla. "Schüler sind sehr Harmonie bedürftig und ziehen gerne Schlussstriche unter Konflikte“, ergänzt Hölzer.
Einmal in der Woche treffen sich die verantwortlichen Lehrer mit den Schülerstreit-Schlichtern zu einer Reflexionsstunde. Dort besprechen sie schwierige Fälle. Außerdem erhalten die Schüler Tipps, wie sie vorgehen können, wenn sich eine Situation festgefahren hat. "Wenn es richtig schwierig ist, helfe ich den Schülern natürlich“, erklärt Duma.
Korodowou und Bunte aus Marburg geben den Seminarteilnehmern in Weilburg Strukturen vor, anhand derer die Lehrer ein eigenes Konzept für ihre Schule entwickeln können. Durch Rollenspiele lernen sie, die Situation der Kinder und Jugendlichen besser zu verstehen und den Schülern die richtige Hilfe anzubieten.
Das Seminar sei sehr praxisbezogen und orientiere sich an den Wünschen und Bedürfnissen der Teilnehmer, lobt Hölzer. Zudem werde viel Informationsmaterial zur Verfügung gestellt.
"Wir vermitteln den Lehrern Methoden der Mediation", erläutert Bunte. "So lernen sie, beide Seiten zu verstehen und sie wertzuschätzen.“ Darüber hinaus profitiere die Streitschlichtung aber auch von einem eigenen Raum, einem guten Rückhalt im Kollegium und der Unterstützung der Schulleitung. "Wir zeigen unseren Teilnehmern, dass schwierige Schüler häufig Schüler mit Schwierigkeiten sind, erklärt Korodowou. "So verändern wir ihren Blick auf Konflikte.“
Die beiden Coaches haben Politikwissenschaft mit Schwerpunkt Friedens- und Konfliktforschung studiert. Daran angeschlossen haben sie Ausbildungen in Mediation, Gewaltfreier Kommunikation und Thérapie Sociale. Seit 1998 arbeiten sie für Schulen, Schulämter und andere Organisationen im Bereich Gewaltprävention.
Neben den Ausbildungen für Schülerstreit-Schlichter bieten sie unter anderem auch einen Interventionsansatz gegen Mobbing an. Der von ihnen favorisierte "No-Blame-Approach" arbeitet ohne Schuldzuweisungen und hat eine hohe Erfolgsquote.
pm: Institut Impuls
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