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Warnung vor Übertreibungen


Schauer sprach über "Die Sprache des Ungeists"

01.12.2011 (mal)
"Ich habe nichts gegen Glauben, sondern nur gegen Theologen.“ Mit dieser Aussage machte Prof. Dr. Hans Schauer am Mittwoch (30. November) seine humanistische Position deutlich: "Ich habe nichts gegen die Gläubigkeit von Menschen in aller Welt in der unterschiedlichsten Art, sondern gegen diejenigen, die Institutionen und ihren obersten Gott im Himmel gegen jede Kritik zu sichern und zu rechtfertigen versuchen.“
Von Monotheismen und religiösen Fundamentalismus sowie sprachlichen Fehlleistungen und politischen Ideologisierungen handelte sein Vortrag mit dem Titel "Die Sprache des Ungeists". Organisiert hat ihn die Humanistische Union Marburg (HU) im Rahmen ihres "Marburger Humanisten-Treffs" in den Räumlichkeiten der Volkshochschule Marburg (VHS).
Schauer hat Psychologie und Philosophie in Heidelberg und Göttingen studiert. Von 1972 bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1994 hatte er eine Professur in den Bereichen Klinische Psychologie und Tiefenpsychologie am Psychologischen Institut der Philipps-Universität inne.
Seit seiner Pensionierung befasst er sich intensiv mit einer Monotheismus-Kritik. Außerdem arbeitet er an einer mehrbändigen Buchreihe.
In seinem Vortrag machte Schauer darauf aufmerksam, dass manche Übertreibungen notwendig seien und manches nicht nachdrücklich und deutlich genug gesagt werden könne. Er kritisierte vor allem Übertreibungen, die über das Notwendige hinaus stattfinden, nur um anzugeben oder um Bedeutung und Macht zu gewinnen.
Die menschliche Sprache sei auf Übertreibungen angelegt. Schauer verwies auch noch darauf, dass unterschieden werden müsse zwischen Übertreibungen und Begriffen, die dem sehr Nahe kommen, aber doch etwas anderes meinen.
Die Steigerung von Adjektiven oder Begriffe zur Beschreibung von Naturphänomenen müsse nicht immer nur eine Übertreibung sein. Sie sei oft begründet und nachvollziehbar. Komparativ und Superlativ seien durchaus sprachlich notwendige Mittel.
Daneben gebe es allerdings auch noch den Absolutiv oder Illativ. Allmacht, Allgegenwart und Allwissenheit als Beispiele für diese Kategorien seien bloße Übertreibungen und entziehen sich einer objektiven Beweisführung.
Schauer bezeichnete Übertreibungen in gesellschaftlichen Bereichen als "Byzantinismus“ und verwies dabei auf die Kulturgeschichte. Zu verstehen sei unter diesem Begriff eine völlig inakzeptable Unterwerfung sowie Ergebenheit, die auch heute noch in Form von Höflichkeitsübertreibungen auftrete.
Selbst der Polytheismus habe mit Übertreibungen gearbeitet. Bestimmten Gottheiten oblag die alleinige Verwaltung eines Bereichs und es galt als Blasphemie, an ihnen auch nur Kritik zu äußern.
Als der ägyptische Pharao Echnaton den Gott Aton über alle Götter erhob, war das eine sehr starke Form von blasphemischer Übertreibung, die allerdings nur eine Generation gehalten habe.
Die Juden setzten sein Werk fort, in dem sie den Gott Jahwe zum einzigen Gott erklärten, den Polytheismus tabuisierten und dem heutigen Monotheismus den Weg ebneten. Es war die Geburtsstunde der religiösen Intoleranz und der Bekämpfung von Glaubensformen, die dieser - als "orthodox“ gekennzeichneten - Lehrmeinung widersprechen.
Auch der Atheismus sei manchmal durch Übertreibungen gekennzeichnet. Die Anhänger dieser Weltanschauung übertrieben, wenn sie diesen einen Gott negieren, als gebe es keine anderen Götter. Schauer bezeichnete diese Haltung als enge Sicht und plädierte dafür, dass die Menschen auch andere – durchaus präsente – Weltanschauungen mit polytheistischen Strukturen nicht ignorieren sollten.
Auch in der Politik seien häufig Übertreibungen vorzufinden. Der politische Absolutismus wurde zwar durch eine relative Gewaltenteilung eingedämmt, sei aber in einigen Bereichen noch immer vorzufinden.
Schauer stellte mehrfach nachdrücklich fest, dass nicht die Übertreibungen das Problem seien, sondern die Tabuisierung des Übertriebenen, die nicht als Übertreibung angesprochen werden dürfe. Urheber von Übertreibungen müssten kritisiert und das Streben nach absoluter Macht und Herrschaft müsse eingeschränkt werden können.
Martin Ludwig
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