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Eindringlich einfühlsam


Konzert von Midori und Özgür Aydin begeisterte

21.11.2011 (fjh)
"Schön!" Mit diesem beseelten Seufzer brachte eine Konzertbesucherin nach der zweiten Zugabe den Abend auf den Punkt. Für absolute Begeisterung in der ausverkauften Stadthalle hatten am Sonntag (20. November) Midori Goto an der Violine und Özgür Aydin am Klavier gesorgt.
Auf Einladung des Marburger Konzertvereins (MKV) spielten die beiden - in den Vereinigten Staaten von Amerika (USA) lebenden - Virtuosen zunächst die Sonate für Klavier und Violine in A-Dur von Wolfgang Amadeus Mozart. Im Köchel-Verzeichnis trägt sie die Nummer 526.
Fast atypisch für Mozart kam sie in der Interpretation der beiden Musiker daher. Selten hat man in Marburg einen so modernen Mozart gehört. Nur manchmal blitzten typische Kompositionselemente wie die feinen, schwebenden Träller durch.
Im dritten Satz raste Aydin dermaßen schnell über die Tasten, dass man ihm gleich sechs Hände unterstellt hätte. Die Violine hingegen stach regelrecht in diese Raserei hinein, als wolle sie ihn auffordern, doch endlich einzuhalten.
Als zweites Stück folgte die Sonate für Violine und Klavier Nummer 1 in G–Dur von Johannes Brahms. Sein Opus 78 brachte die sanfte und einfühlsame Seite der beiden Musiker zur Geltung. Doch auch hier bewiesen beide ihre absolute Meisterschaft.
Den Höhepunkt bildete nach der Pause die Violinsonate von Leos Janacek, die zwischen 1913 und 1921 entstanden ist. In ihr drückte der Komponist seine Verzweiflung über den Ersten Weltkrieg wie auch die Hoffnung auf dauerhaften Frieden aus.
Eindringlich brachten Midori und Aydin diese Gefühlsregungen zum Ausdruck. Mal jammernd oder klagend, mal wütend oder grollend, mal leise und dann wieder gefährlich aufbrausend interpretierten sie dieses großartige Werk so klanggewaltig, dass es das Herz und den Verstand anrührte.
Hatte man nach diesem Vortrag geglaubt, dass nun keine Steigerung mehr möglich sein könne, so belehrten die beiden Virtuosen das Publikum anschließend des Besseren. Die Fantasie in C–Dur D934 von Franz Schubert übertraf sogar noch den herausragenden Vortrag von Janaceks pazifistischem Werk!
Geradezu grandios ließ Midori den Bogen mal über die Saiten ihrer Geige schweben, um ihn dann hart anzusetzen oder kurz einigen rhythmischen Pizzikati zu opfern. Ebenso gekonnt schwebten Aydins Hände über die Tasten, wobei er immer den richtigen Ausdruck von Geschwindigkeit, Härte oder weichem Anschlag sowie den dahinter liegenden Ausdruck fand.
Beide waren absolut aufeinander eingespielt. An manchen Stellen taten sie so, als stritten sie sich musikalisch miteinander. Dann wieder verschmolzen ihre Instrumente in perfekter Harmonie.
Dem donnernden Applaus des Publikums zollten sie mit gleich zwei Zugaben Tribut. Auch hierbei blieb kein Auge trocken vor Rührung und Begeisterung.
Goto wurde 1971 in der japanischen Präfektur Ōsaka geboren. Bereits als Elfjährige holte der Dirigent Zubin Mehta beim Silvesterkonzert New York Philharmonic Orchestra auf die Bühne. Neben ihrer musikalischen Karriere hat die Violonistin ein Psychologie an der New York University abgeschlossen.
Aydin wurde 1972 in dem amerikanischen Bundesstaat Colorado geboren. Seit 2009 tritt der türkischstämmige Pianist regelmäßig mit der japanischen Geigerin auf.
Stolz war der Konzertverein auch, dass sich die beiden Künstler nach dem Ende ihres Auftritts noch zu einem Gespräch im Foyer einfanden. Nach annähernd zweieinhalb Stunden Konzert war das schon eine große Geste des Respekts vor den Musikfreunden.
"Was soll ich denn da fragen", sagte eine junge Besucherin zu ihrem Begleiter: "Can You borrow me Your Violine?"
Diese Frage müsste Midori sicherlich mit "No" beantworten. Ihre fast 300 Jahre alte Guardini-Geige hat sie selbst leihweise von einer Stiftung bekommen.
Franz-Josef Hanke
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