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Vielseitiger Regisseur


Faltz mit Gogols "Revisor" auf der Schwanhof-Bühne

06.11.2011 (jnl)
Mit seiner Bearbeitung von Nikolai Gogols Satire "Der Revisor" überzeugte Intendant Matthias Faltz am Samstag (5. November) das Marburger Premierenpublikum im Theater am Schwanhof. Wie schon beim "Black Rider" und "Don Juan" fiel die Inszenierung in puncto Aufwand und Unterhaltsamkeit aus dem Rahmen des Üblichen.
Faltz denkt in Bildern und Musik. Die Schauspieler agierten unter seiner Regie nahezu choreographiert. Da es sich fast ausnahmslos um sehr agile Ensemble-Mitglieder handelte, ergab sich eine quirlige, schwebende Verwechslungs- und Slapstick-Komödie.
Gogols Geschichte ist traumhaft einfach, so wie Tagträume eben sind. Ein staatlicher Kassenprüfer (Revisor) kommt in eine mittelgroße Kreisstadt, wo sämtliche Amtsträger in erheblichem Umfang Unterschlagungen begehen. Zu spät merken die - vor einer möglichen Bloßstellung bibbernden - Korrupten, dass sie ihre Bestechungsgelder an einen irrtümlich für den Revisor gehaltenen Mann vergeudet haben.
Angekündigt war eine "brandaktuelle" Satire über Korruption, Amtsmissbrauch und Doppelmoral. Echte Aktualität war mit Gogols Dramentext aus dem Jahr 1836, der nicht mit Anspielungen aus dem Gegenwartsgeschehen "gespickt" wurde, allerdings nicht erreichbar.
Schon dass sich jemand freiwillig in diesen Karikaturen von korrupten Staatsbeamten wiedererkennen wollte, wie das Programmheft es vorschlägt, ist eine psychologische Unmöglichkeit. Und anders als im Russland oder Indien der Gegenwart spielt "Bakschisch" und Unterschlagung in deutschen Städte-Alltag von heute zum Glück keine wesentliche Rolle.
Daher spielte sich das locker-luftige Komödienspiel mit Charakter-Clowns in einem imaginären Niemandsland ab. Das tat der Unterhaltsamkeit der vorgeführten "Verrücktheit" der Verhältnisse allerdings keinen Abbruch.
Aus den - allesamt guten - Schauspielleistungen der neun Ensemble-Mitglieder stachen vier besonders hervor. Tobias M. Walter meisterte eine Doppelrolle als Schuldirektor und Dobtschinski. Uta Eisold als Gattin des Stadthauptmanns machte durch gekonnten Gesteneinsatz aus einer Nebenrolle nahezu eine Hauptrolle.
Großartig wirbelte Sebastian Muskalla als Stadthauptmann über die Bühne. Auf Knien flehte er den vermeintlichen Revisor an und schwelgte in bunten Träumen vom Aufstieg zum Staatssekretär.
Kontrapunktisch zum Aktionismus der Korrupten bewegte sich Charles Toulouse als zufälliger Profiteur der Verwechslung eher eckig und zögerlich. Eben durch diesen Kontrast und seine staunenswerte Mimik zog er als Pol-Gestalt des Bühnengeschehens fortwährend die Blicke auf sich.
Großen Anteil an der Inszenierung hatte auch das dynamische Bühnenbild von Petra Straß. Es war ihr Debüt am Hessischen Landestheater Marburg.
Ständig fiel irgendeine Wanddekoration gezielt herunter. Selbst Treppenstufen lösten sich aus ihrer Verankerung. So wurde man ständig daran erinnert, wie brüchig und hinfällig alle Umstände in jener Welt sind.
Auch die farbenfrohen Filz-Kostüme der Dasteller, die von Jelena Miletić beigesteuert wurden, machten Eindruck. Die clownesken Masken verwandelten die bekannten Gesichter der Schauspieler nachdrücklich. Auch die Musik war sehr gut gewählt. Fast hätte man ein echtes Tanztheater daraus machen können. Angelegt war das durchaus, wurde aber nicht durchgezogen.
Man mag es schade finden oder genau richtig: die Inszenierung von Faltz berührte die soziale Wirklichkeit der deutschen Gegenwart genauso viel oder wenig wie ein Film von Charlie Chaplin. Die zwei Stunden seiner Revisor-Inszenierung waren dennoch ein vergnüglicher Theaterabend. Der Applaus des Premierenpublikums war herzlich - aber doch nicht stürmisch begeistert.
Jürgen Neitzel
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