Logo: marburgnewsMobile Marburgnews

Zum Menü

TTZ lud ein


Wolfram Fleischhauer las aus "Torso"

05.11.2011 (jnl)
Rund 150 Interessierte strömten in die Autorenlesung von Wolfram Fleischhauer am Freitag (4. November) im Technologie- und Tagungszentrum (TTZ). Die Stühle reichten kaum aus.
Offenbar hat der Romancier sich eine beträchtlich anwachsende Fan-Gemeinde erarbeitet. bEreits zum vierten Mal las er in Marburg.
Vorgestellt hat er den jüngst erschienenen Roman "Torso". In ihm geht es um Gier, Verrat und Vertuschung politischer Machenschaften im Berlin des Jahres 2002. Mit diesem Roman hat der Autor erstmals einen Thriller vorgelegt.
Eigentlich schreibe er keine Thriller, sagte Fleischhauer über sich selbst. Weder das Blutrünstige der Serienkiller-Epen, noch die - die Ordnung wiederherstellenden - Mord-Ermittler übten Reiz auf ihn aus. Auch in seiner Leserschaft polarisiere das gewählte Genre.
Aber die Form einer Erzählung folge nun einmal dem zu bearbeitenden Stoff. Daher sei das diesmal praktisch unvermeidlich gewesen.
Als der 50-jährige Berliner vier Ausschnitte aus den Anfangskapiteln las, wurde das glaubhaft. Die durchaus blutigen Details aus der Obduktion der Mordopfer hatte er mit schwarzem Humor und psychologischen Nuancen unterfüttert.
Auch sprachlich war die Charakterzeichnung der Protagonisten ein Genuss. Der Prägnanz der beschriebenen Szenen entsprang spürbar ein Sog, weiterlesen zu wollen.
Souverän und auskunftsfreudig ging der Schriftsteller anschließend auf Fragen des Publikums ein. Manch einer staunte, dass Fleischhauer nach wie vor in der Hälfte seiner Zeit einen anspruchsvollen Brotberuf ausübt.
Als Simultandolmetscher bei der Europäischen Union (EU) in Brüssel ist er allerdings so beansprucht, dass er nur alle drei Jahre einen neuen Roman herausbringen kann. Für das schnelllebige Verlagsgeschäft ist das grenzwertig.
Nach dem Studium der Literaturwissenschaft war Fleischhauer zunächst froh, durch seine Sprachkompetenz einen anständig bezahlten Job als Konferenzdolmetscher zu ergattern. Um indes geistig zu überleben, habe er nach Dienstschluss begonnen, sich schriftstellerisch zu betätigen. Heute sichere der Brotberuf ihm die Unabhängigkeit, gegenüber Verlagsplänen auch einmal "Nein" sagen zu können.
Mit dem Fleischerhaken auf dem Buchumschlag von "Torso" sei er gar nicht glücklich, verriet Fleischhauer leise lächelnd. Aber sich in die Gestaltung der Verpackung einzumischen, das habe er schlicht aufgegeben.
Ironischerweise entstand die Grundidee zu diesem Buch auf Fleischhauers Hochzeitsreise durch Italien im Jahr 2001. Ein Gemälde von Ambrogio Lorenzetti in Siena - im Lesungssaal mit Beamer an die Stirnwand projiziert - thematisierte die Differenz zwischen guter und schlechter Staatsregierung.
Die Banken-Krise von heute habe Vorläufer. Die Gier und die Zwietracht seien auch im 13. Jahrhundert schon bekannt und gefürchtet gewesen.
Der Roman "Torso" sei übrigens der erste Teil einer Art Trilogie. Der zweite Band, an dem er gerade arbeite, beschäftige sich in einem weiteren Sinne mit dem "Wald". Mehr wollte der Autor dazu aber noch nicht verraten.
Zufriedene Gesichter und eine lange Schlange von Lesern, die sich ihr Buch signieren lassen wollten, schlossen den Abend ab. Fleischhauer scheint sich auf einen Platz in der Spitzengruppe der deutschen Schriftsteller vorgeschoben zu haben. Seine Begegnungen mit dem Publikum jedenfalls liegen weit über dem in der Branche Üblichen.
Jürgen Neitzel
Text 6379 groß anzeigen

www.marburgnews.de

© 2017 by fjh-Journalistenbüro, D-35037 Marburg