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Markstein für Marburg


Festakt zu 700 Jahren Stadtrecht

18.10.2011 (fjh)
"Das Stadtrecht von 1311 ist ein Markstein in der Geschichte dieser Stadt", erklärte Oberbürgermeister Egon Vaupel. Genau am 700. Jahrestag der Verleihung dieses Privilegs veranstaltete die Universitätsstadt Marburg am Montag (17. Oktober) im Historischen Saal des Renaissance-Rathauses einen Festakt.
Als Stadt galt Marburg bereits vor Ausstellung der Urkunde durch den Bischof Ludwig von Münster am 17. Oktober 1311. Bereits vorher wurde Marburg in lateinischen Urkunden als "Civitas" oder "Oppidum" bezeichnet, was der deutschen Bezeichnung "Stadt" entspricht.
Marburg besaß eine befestigte Stadtmauer und eine eigene Stadtregierung durch Angehörige der reichen Familien. Ein Siegel aus dem Jahr 1222 ist das älteste Dokument im Stadtarchiv.
Dessen Leiter Dr. Ulrich Hussong blickte nach dem Grußwort des Oberbürgermeisters ausführlich auf "700 Jahre Marburger Stadtrecht" zurück. Er erklärte die Urkunde und die Umstände ihrer Entstehung ebenso wie die üblichen Gepflogenheiten bei der Aussellung solcher Dokumente in der damaligen Zeit.
Anschließend nannte er nacheinander alle Änderungen der Stadtverfassung und des in Marburg geltenden Landesrechts mit der jeweiligen Jahreszahl und den Auswirkungen bis hin zur Direktwahl des Oberbürgermeisters im Jahr 1992. Mit seinem Vortrag unternahm der Archivar einen wissenschaftlichen Streifzug durch die gesamte Stadtgeschichte.
Übertroffen wurde sein Vortrag indes noch von Prof. Dr. Ursula Braasch-Schwersmann vom Hessischen Landesamt für geschichtliche Landeskunde. Ihr Thema "Marburg im Jahre 1311" vertiefte sie eingehend mit Beschreibungen all jener Bauwerke, die damals noch nicht standen. Immer wieder erklärte sie, dass man in vielen Bereichen Genaues aus der damaligen Zeit nicht wisse.
Unter dem riesigen Haufen an Leerstellen, die die Historikerin aufführte, verbargen sich einige wenige interessante Details, die angesichts der ausufernden Beschreibung früherer und vor allem späterer Zeiten indes weitgehend untergingen.
Etwa 1.500 Menschen lebten um 1311 in Marburg. Das Stadtgebiet umfasste seinerzeit die - durch eine befestigte Mauer geschützte - Oberstadt, die sogenannte "Neustadt" zwischen Wettergasse und dem Deutschherrenkloster, Weidenhausen und einige Gebäude am heutigen Pilgrimstein.
Tuchherstellung scheint seinerzeit in Marburg ein wichtiges Gewerbe gewesen zu sein. Aber auch die Herstellung von Schuhen und die Vermarktung landwirtschaftlicher Erzeugnisse waren wohl wichtig.
An verschiedenen Stellen hielten die unterschiedlichen Zünfte eigene Märkte ab. Noch heute finden sich ihre Namen bei Plätzen wie dem "Schuhmarkt", dem "Kornmarkt" oder dem "Heumarkt".
Der heutige Marktplatz indes erhielt erst mit dem Bau des Rathauses im 16. Jahrhundert seine jetzige Form und Bedeutung. Vorher hatte Marburgs Zentrum anscheinend rund um die Kilianskapelle gelegen, die unterhalb des Renaissance-Rathauses am Hang liegt.
Auch der Kerner sowie die Stadtschule am Lutherischen Kirchhof haben zeitweilig als Ratsstube gedient, bevor das repräsentative Renaissance-Gebäude errichtet wurde. Die Pfarrkirche Sankt Marien war um 1311 ebenso noch nicht fertig wie Teile der heutigen Schlossanlage. Noch gar nicht errichtet waren das "Steinerne Haus" am oberen Marktplatz und die allermeisten Bauten der Stadt.
Die Elisabethkirche befand sich damals noch im Bau. Die Michaelskapelle am Weinberg diente als Sakralbau für den dortigen Pilgerfriedhof.
Die Masse der Gebäude in Marburg dürfte im 13. und 14. Jahrhundert aus Fachwerk mit Strohdach bestanden haben. Jedenfalls beurkundete der Bischof Ludwig von Münster, im Falle eines Brandes werde er auf die mit den Bürgern Marburgs vereinbarten Zahlungen so lange verzichten, bis die beschädigten Häuser wieder aufgebaut sind.
Angesichts der Bauweise seien Feuersbrünste eine allgegenwärtige Bedrohung gewesen, erklärte Braasch-Schwersmann. Tatsächlich habe auch bereits 1319 eine große Feuersbrunst in Marburg gewütet.
Die hochinteressante Geschichte Marburgs hatte annähernd 100 Interessierte in den Historischen Saal des Rathauses gelockt. Die weitschweifigen und detailverliebten Ausführungen der beiden Vortragenden dienten leider aber eher der eigenen Selbstdarstellung als einer Vermittlung wirklich wichtiger historischer Fakten.
Zudem lasen beide ihre Manuskripte vor, ohne sich zwischendurch direkt ans Publikum zu wenden. Houssong hatte sogar ganze Passagen bereits vorab schon veröffentlicht, weshalb sie manchem Zuhörer nicht mehr neu waren.
So haben die Historiker eine historische Gelegenheit verschenkt, Geschichten aus der Geschichte Marburgs bürgernah zu vermitteln. Dieser Wermutstropfen ist letztlich noch säuerlicher als Vaupels Warnung, dass das Land Hessen den Sonderstatus von Marburg möglicherweise bald abschaffen und die Rechte der kommunalen Selbstverwaltung damit einschränken könnte.
Franz-Josef Hanke
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