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Der gute Mensch


Berg begeisterte bei Brecht-Inszenierung

10.09.2011 (fjh)
Einen so langanhaltenden Schlussapplaus dürfte das Theater am Schwanhof schon lange nicht mehr erlebt haben. Begeistert zeigte sich das Premierenpublikum dort am Freitag (9. September) von Stephan Suschkes Inszenierung des Stücks "Der gute Mensch von Sezuan" von Bertolt Brecht.
Ganz wesentlichen Anteil an diesem Erfolg hatte neben Suschke auch Anne Berg in der Titelrolle. Dabei war die 26-jährige Studentin erst drei Wochen vor der Premiere als Ersatz für die ursprünglich vorgesehene Hauptdarstellerin eingesprungen!
Brechts Drama über die Schwierigkeit, in einer unmoralischen Umgebung ein mitfühlendes Leben zu führen, hatte Suschke als Komödie inszeniert. Einige Rollen zeichnete er als Karikatur, wobei er sie jedoch nicht diskreditierte. Dank dieser Darstellungsweise gewann das Stück an Lebendigkeit, Schwung und Humor, ohne indes seine Kernaussage zu verflachen.
Die Darsteller bewegten sich wie ein Klischee von Chinesen über die Bühne. Auf ihr war ein Gerüst aufgebaut, an dem einzelne Mimen mitunter hinauf oder hinunterkletterten und auf dem auch der Chor der Bettler und Obdachlosen stand.
Lediglich Uta Eisold agierte nicht als Karikatur. Sie zeigte sich vielmehr als knallharte Geschäftsfrau Shin, die ihre Habgier gnadenlos durchzusetzen versteht.
Für einen absolut überteuerten Preis hat die Witwe Shin ihren Tabakladen der gutmütigen Shen Te verkauft. Erst hinterher zeigt sich, dass die Ware darin das Einzige ist, was wirklich einen Wert darstellt. Die Räume sind gemietet und die Regale noch nicht bezahlt.
Doch Shen Te hat ihr ganzes Geld in diesen Tabakladen investiert. Bekommen hatte sie die 1.000 Silberdollars von den Göttern als Belohnung für ihr moralisches Verhalten. Denn sie war die Einzige in der ganzen Stadt gewesen, die ihnen eine kostenlose Unterkunft geboten hat.
Beflügelt vom Lob der "Erleuchteten", folgt die junge Frau der Stimme ihres Herzens im Umgang mit ihren Mitmenschen. Die bisherige Prostituierte speist die Bettler mit Reis und bietet ihnen Obdach in ihrem Laden.
Dem arbeitslosen Flieger Yang Sun schenkt sie ihr letztes Geld, damit er in seinem Traumberuf glücklich werden kann. Doch das Geld reicht nicht.
Shen Tes Lage wird immer aussichtsloser. Sie hatte sich bereits Geld geliehen, das sie nun nicht mehr zurückzahlen kann.
Glücklicherweise taucht in dieser Situation ihr Vetter Shui Ta auf. Mit Härte und Zielstrebigkeit bringt er den Laden wieder in Schwung.
In Wirklichkeit sind er und seine Cousine jedoch ein und dieselbe Person. Gemeinsam verkörpern sie den Gegensatz zwischen notwendiger Härte und Mitgefühl, ohne dessen Austarierung man im Leben wahrscheinlich scheitern muss.
Den Wechsel zwischen diesen beiden Rollen hat Berg grandios umgesetzt. Als die naive Shen Te piepste sie mit beinahe kindlicher Stimme, wenn sie mit menschlichem Elend konfrontiert war. Als ihr Cousin Shui Ta presste sie mit harter Stimme Anweisungen und Befehle heraus oder wies Bitten um Unterstützung schroff ab.
Angesichts ihrer großartigen Leistung mussten alle anderen Mitwirkungen zwangsläufig verblassen. Dabei zeigten auch Stefan Piskorz als reicher Barbier Shu Fu, Daniel Sempf als Flieger Yang Sun und Thomas Streibig als Schreiner Lin To sowie Claudia Fritzsche als Hausbesitzerin Mi Tzü durchaus gute schauspielerische Leistungen.
Auch deswegen war Suschkes Inszenierung eine rundherum gelungene Auseinandersetzung mit dem Spannungsfeld zwischen Moral und Mitgefühl, Unmenschlichkeit und unternehmerischer Gier. Brechts zwischen 1938 und 1940 entstandenes Drama entfaltete bei ihm weniger Pessimismus, ohne seine wesentlichen Aussagen auch nur ansatzweise einzubüßen. Gerade dadurch zeigte Suschke die Aktualität des Themas und auch des Texts von Brecht sehr deutlich auf.
Die Ovationen des Premierenpublikums waren folglich absolut berechtigt. Sie galten sowohl dem Stück als auch dem Regisseur und allen Darstellern. Vor allem aber waren sie ein Ausdruck von Anerkennung für die schauspielerische Leistung Bergs, die ein großes Talent für Sprach- und Stimmführung sowie erstaunliche Wandlungsfähigkeit bewies.
Franz-Josef Hanke
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