07.08.2011 (fjh)
"Gemeinsam gegen Rechtsaußen" wollten Bürgerinnen und Bürger der Gemeinde Echzell am Samstag (6. August) feiern. Bereits zum zweiten Mal veranstaltete der Verein "Grätsche gegen Rechtsaußen" im Echzeller Ortsteil Gettenau ein Festival gegen Hass und Rechte Gewalt. Erstmals dabei war im Jahr 2011 auch die
Humanistische Union Marburg (HU) mit einem eigenen Informationsstand.
Gegründet hatte sich die "Grätsche gegen Rechtsaußen" nach beängstigenden Vorfällen in Gettenau. Dort hatte ein Neonazi eine Hofreite aufgekauft, die sich danach zum Treffpunkt rechtsradikaler Jugendlicher und Erwachsener entwickelte. In einem eigens dafür umgestalteten Raum fanden sogenannte "Gaskammer-Partys" statt.
Kritische Äußerungen von Nachbarn wurden anschließend mit Bedrohungen und anderen Einschüchterungsaktionen quittiert. Reifen von parkenden Autos wurden plattgestochen. Aus einem Luftgewehr wurden Schüsse auf eine Fensterscheibe abgefeuert.
Diese Erfahrungen veranlassten Bewohner von Echzell schließlich zur Gründung einer Bürgerinitiative gegen Neofaschismus. Aus ihr ist dann der Verein "Grätsche gegen Rechtsaußen" hervorgegangen.
Mit einem Kulturfestival konnte die "Grätsche" im Sommer 2010 die große Mehrheit der Menschen in der Region für sich gewinnen. Mehr als 900 Besucher verzeichnete ihr Festival, an dem auch prominente Politiker aus der Region und der Landespolitik teilnahmen.
Die Neuauflage im Sommer 2011 sollte nun an den Erfolg des Vorjahrs anknüpfen. Viel Mühe hatten sich die Menschen aus der Wetterau gemacht, um ein buntes Kulturprogramm auf die Beine zu stellen.
Nach der Beteiligung an den Aktionen gegen einen Nazi-Aufmarsch am Samstag (16. Juli) in Gießen war die HU Marburg auch der Einladung der "Grätsche gegen Rechtsaußen" gefolgt, mit einem eigenen Stand an dem Festival in Echzell teilzunehmen. Vollständig war der vierköpfige Vorstand der HU Marburg dort am Samstagnachmittag vertreten.
Weil im Festzelt ein ökumenischer Gottesdienst stattfand, konnten die HU-Vertreter nur in kürzeren Programmpausen Lieder wie Georg Kreislers "Tauben vergiften", die "Kristallnacht" von Bapp oder "Sascha" von den "Toten Hosen" abspielen. Im Zelt lösten sich zwischendurch Reden von Vertretern der Grätsche, des Echzeller Bürgermeisters und von prominenten Politikern aus dem hessischen Landtag und der Landesregierung mit Musik unterschiedlicher Richtungen und einem Tanz-Workshop ab.
Draußen gab es vielfältige Spiel- und Bewegungsmöglichkeiten für Kinder und Erwachsene. Mit einem Sponsorenlauf konnten Interessierte die Bildungsarbeit der "Grätsche" für Jugendliche mitfinanzieren.
Neben Essens- und Getränkeständen waren die Sportjugend Hessen, die Bildungsinitiative gegen Faschismus und das Beratungs-Netzwerk Hessen vertreten. An ihm sind neben der
Philipps-Universität und der hessischen Landes- sowie der Bundesregierung und dem Hessischen Landeskriminalamt auch zahlreiche Bildungs- und Unterstützungsprojekte beteiligt. Die Vereinsgründung in Echzell war auch mit Unterstützung dieses Netzwerks zustandegekommen.
Einmalig bei diesem Verein zumindest für Hessen ist die Mitgliedschaft von gleich vier Kommunen in der Wetterau. Diese Tatsache zeigt, dass die Kommunalpolitik das Problem des Neofaschismus wirklich ernst nimmt.
Gegen 17.30 Uhr gingen die Veranstalter über den Festplatz und kündigten einem möglicherweise vorzeitigen Abbau der Stände an. Grund waren allerdings nicht Zusammenrottungen von Rechtsradikalen, sondern eine Unwetterwarnung.
Als Donner und Starkregen dann tatsächlich den Festplatz erreicht hatten, evakuierte die örtliche Feuerwehr das Festzelt und anschließend auch die Informationsstände. Alle Gäste des Festivals versammelten sich im nahegelegenen Feuerwehr-Gerätehaus, während draußen wahre Sturzbäche herniederprasselten und ein starker Sturm wütete.
Doch selbst das tat der guten Stimmung keinen Abbruch. Offenbar steht ganz Echzell fest "gemeinsam gegen Rechtsaußen".
Franz-Josef Hanke
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