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natürliche Feinde


Zur schwierigen Situation zwischen Radfahrern und Blinden

30.07.2011 (bke)
In ökologischen Systemen haben die meisten Tiere ihre natürlichen Feinde. Übertragen auf den Straßenverkehr könnte man sagen, dass der natürliche Feind des blinden Fußgängers der Fahrradfahrer - oder eher das Fahrrad an sich - ist.
Dieser Text soll sicher kein Kommentar zu den ach so rücksichtslosen Fahrradfahrern werden. Davon gibt es wahrhaftig schon genug, auch wenn viele davon bestimmt zutreffend sind.
Die Universitätsstadt Marburg ist gewissermaßen prädestiniert für die Benutzung der beliebten Drahtesel. Im vergleich zu anderen Städten hat sie eine eher geringe Fläche. Alle wichtigen Orte sind deshalb auch ohne Auto schnell zu erreichen, was vor allem den vielen Studenten sehr gelegen kommt.
Auto fahren ist schließlich teuer. Außerdem erspart man sich die lästige Parkplatzsuche und den Berufsverkehr.
Doch auch blinde Mitmenschen zieht Marburg in verhältnismäßig großer Zahl an. Der Grund dafür ist die Deutsche Blindenstudienanstalt (BliStA) und die vergleichsweise große Barrierefreiheit im Straßenverkehr.
So ist es auch kein Wunder, dass das gespannte verhältnis von Radfahrern und blinden Fußgängern in Marburg schon so manche blaue Flecken oder zerbrochene Blindenstöcke gekostet hat. Der Grund dafür ist schnell gefunden: Fahrräder sind im Stadtverkehr kaum zu hören. Der blinde kann ihre Bewegungen deshalb kaum einschätzen.
Das ist natürlich nicht die Schuld der Radler. Auch für sie ist die Gefahr nicht klein.
Schon so manchen sturz hat ein verirrter Blindenstock auf einem vollen oder engen gehweg verursacht. Dazu kommt, dass auch die blinden Verkehrsteilnehmer schwer einzuschätzen sind. Sie verhalten sich anders als gewöhnliche Fußgänger, was vor allem ihre Bewegungen und ihre Laufwege betrifft.
Der Konflikt ist also vorprogrammiert. Doch wie sieht nun seine Lösung aus?
Die Hauptlast liegt hier bei den Radfahrern. Sie sind zwar nicht schuld an der Konstellation, haben jedoch im Gegensatz zu den Blinden die Verkehrsübersicht.
Am besten sind blinde Fußgänger möglichst weiträumig zu umfahren. Klingeln hilft da in der Regel nur wenig.
Der Blinde hört zwar das Geräusch, kann die Situation dadurch allerdings kaum besser einschätzen. Oft erschrickt ihn das Geklingel sogar und er macht eine unerwartete Bewegung.
Doch auch dem ein oder anderen Blinden würde ein bisschen Vorsicht im straßenverkehr nicht schlecht zu gesicht stehen. Wer häufig die selben Wege geht, weiß, wo das Fahrradaufkommen sehr hoch ist. Dort mit Höchstgeschwindigkeit entlang zu pendeln und die Verantwortung allen anderen - nur nicht sich selbst - zuzuschreiben, ist keine sonderlich Hilfreiche Attitüde.
Doch selbst die Fahrräder dürften noch ein eher geringfügiges Problem sein. Interessant wird es, wenn sich in einigen Jahren die beinahe lautlosen Elektroautos entgültig durchgesetzt haben. Blaue Flecken und zerbrochene Stöcke dürften dann dramatisch in den Hintergrund rücken, wenn reienweise kleine Kinder und blinde Verkehrsteilnehmer von den unhörbaren Klimarettern niedergemäht werden.
Bernd Kerseboom
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