07.07.2011 (fjh)
"Mit der begrenzten Zulassung der Präimplantationsdiagnostik hat der Deutsche Bundestag eine Entscheidung getroffen, die dem schwierigen Thema angemessen ist", sagte Sören Bartol. Der Marburger Bundestagsabgeordnete hatte am Donnerstag (7. Juli) im Plenarsaal das Wort für den letztlich erfolgreichen Gesetzentwurf ergriffen.
"Eine begrenzte Zulassung der PID ermöglicht keine Designer-Babys", beteuerte Bartol nach der Entscheidung. "Vielmehr hilft sie in Ausnahmefällen, schwerste Erkrankungen und Fehl- beziehungsweise Totgeburten zu verhindern."
Ein striktes Verbot der Präimplantationsdiagnostik (PID) hätte seiner Ansicht nach bedeutet, "Frauen und ihre Partner in ihrer Not alleine zu lassen". Stattdessen ist Bartol den Behinderten in den Rücken gefallen und feiert sich hinterher auch noch selbstgerecht.
"PID wird nicht zur Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen führen", wiegelte der SPD-Abgeordnete ab. "Niemand - auch kein Mensch mit Behinderung - muss sich für seine Existenz rechtfertigen. Eltern müssen sich nicht für die Behinderungen ihrer Kinder entschuldigen."
Das werde sich auch durch die neue Rechtslage nicht ändern. Ausschlaggebend sei, dass die Gesellschaft Menschen mit Behinderung ein selbstbestimmtes Leben ermöglicht und Vorurteile endgültig beseitigt.
"Wie wichtig das ist, sehen wir doch vorbildhaft bei uns in Marburg-Biedenkopf", sagte Bartol. Anfang 2011 hatte er angebliche "Experten" und handverlesene Interessenvertreter aus dem
Landkreis Marburg-Biedenkopf zu einem nichtöffentlichen Gespräch zum Thema eingeladen.
"Am Ende dieses konstruktiven Dialogs blieben zwar unterschiedliche Grundbewertungen", berichtete Bartol. "Doch die meisten Beteiligten waren sich einig, dass eine begrenzte PID die Stellung von Menschen mit Behinderung in der Gesellschaft nicht beeinträchtigen würde. Diese Einschätzung ganz unterschiedlicher Seiten hat mich in meiner Entscheidung bestärkt."
Bei der PID werden - durch künstliche Befruchtung entstandene - Embryonen auf bestimmte Gendefekte untersucht. Laut dem beschlossenen Antrag kommt diese Untersuchung nur in Frage, wenn die Eltern Anlagen für schwerste Erbkrankheiten in sich tragen oder die Gefahr von Tot- oder Fehlgeburten besteht. Vorher müssen eingehende Beratungen stattfinden und eine unabhängige Ethik-Kommission über jeden Einzelfall entscheiden.
Viele Behinderte befürchten aufgrund anderer – ähnlich gelagerter – Entscheidungen, dass die Grenzen im Laufe einer Anwendung der PID immer weiter aufweichen werden. Letztlich könne dann ein Druck auf Eltern und Behinderte entstehen, mögliche Behinderungen schon vor der Geburt zu vermeiden.
Darin sehen Kritiker der PID die Gefahr eines Wiedererstarkens eugenischer Haltungen. Im Rahmen der
nationalsozialistischen Euthanasie-Programme waren Hunderttausende von Behinderten als angeblich "lebensunwertes Leben" ermordet worden.
Franz-Josef Hanke/pm
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