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Don Juan


Trotz Regens anregend und kurzweilig

18.06.2011 (fjh)
"Ich sammle Unterschriften, damit diesem Mann kein Forum geboten wird." Mit dieser Begründung ging ein aufgebracht wirkender Mann am Freitag (17. Juni) vor Beginn der Freilichtaufführung auf dem Marktplatz von Stuhl zu Stuhl und hielt den Besuchern eine Unterschriftenliste hin. "Ich habe nur noch sieben Minuten", drängelte er kleinlaut.
"Don Juan" war der "Bösewicht", dessen Auftritt der Agitator angeblich verhindern wollte. Das gleichnamige Bühnenstück des französischen Komödien-Autors Moliere feierte am Freitagabend auf dem Marktplatz Premiere.
Regisseur Matthias Faltz hatte sich einiges einfallen lassen, um seine Inszenierung bereits vor Beginn der Aufführung interessant zu machen. Weiß geschminkte Frauen mit weißen Perücken und weißen Kleidern liefen umher und verteilten Süßigkeiten. Ein schwarz gekleideter Mann mit sehr langer Nase verkaufte Schnittchen, weswegen jemand im Publikum ihn als "Schnitter" bezeichnete.
Erwartungsfroh saß das Publikum auf den eng gestellten Stühlen. Als einige nach dem 9-Uhr-Schlag der Rathausuhr schon begonnen hatten, den Anfang der Aufführung herbeizuklatschen, senkte sich leichter Nieselregen auf das Publikum und die – noch leere – Bühne hernieder. Eilig begannen eifrige Helfer damit, die Lautsprecherboxen mit Hilfe von Plastikfolien vor Nässe zu schützen. Auch das kleine Orchester, das auf die Bühne gekommen war, erhielt ein entsprechendes Schutzdach.
Nachdem die Bühne vom Wasser befreit worden war, begann die Premiere mit einer viertelstündigen Verspätung. Die Band spielte einen bekannten Pop-Song, währenddessen Martin Maecker Das Stück und die Namen der Mitwirkenden ansagte. Der Schauspieler selbst übernahm die Titelrolle des rücksichtslosen Herzensbrechers.
Zwar ist Don Juans Diener Sganarelle (Ogün Derendeli) nicht einverstanden mit dem lüsternen Treiben seines Herrn, doch traut er sich nicht, ihm offen zu widersprechen. Hinter seinem Rücken indes versucht er, die potentiellen Opfer vor dem Lüstling zu warnen.
Don Juan möchte jede Frau heiraten, die ihm gefällt. Hat er sie einmal "rumgekriegt", wird sie für ihn jedoch uninteressant.
Seine Ehefrau Donja Elvira (Stephanie Müller-Hagen) hat er sogar aus dem Kloster geholt, um sie zu ehelichen. Nachdem sie seinen Verführungskünsten erlegen ist, lässt er sie jedoch einfach sitzen.
Stattdessen wendet er sich der jungen Charlotte (Viktoria Schmidt) zu. Doch auch von ihr wendet sich Don Juan sofort ab, als er eine hübsche Bauerntochter sieht, die ebenfalls von Stephanie Müller-Hagen gespielt wurde.
Bei einem Zusammentreffen von ihr und Charlotte beanspruchen beide den Edelmann für sich. Jede beschuldigt die Andere, sie lüge mit ihrer Behauptung, dass Don Juan ihr die Ehe versprochen habe.
Doch der Herzensbrecher beantwortet die Fragen beider Frauen so geschickt, dass jede von ihnen sich im Recht fühlt und die Andere für eine Lügnerin hält. Indes gerät er noch mehr unter Druck, als sich auch Charlottes Verlobter Pierrot Bei ihm über sein unmoralisches Vordringen in die bereits beschlossene Beziehung beschwert.
Als Pierrot, Bauer, Stallmeister und Bettler verkörpterte Walter Schmuck gleich vier verschiedene Charaktere. Zudem war er auch der Unterschriftensammler, der die Besucher beim "Countdown" auf die bevorstehende Aufführung eingestimmt hatte.
Doch auch während des Spiels hatte Faltz einige Ideen aufgeboten, um das Publikum zu unterhalten. Neben witzigen Pointen im Text waren es rote Blätter und weiße Konfetti, die aus den Fenstern des Rathauses auf die Bühne herniederregneten. Aus den obersten Fenstern seilten sich sogar Akrobaten ab, um die bedrohliche Situation für Don Juan noch eindringlicher darzustellen.
Ein Übriges tat auch der 30-köpfige Chor, der teils den Gesang der Darsteller zur Musik der Band "Die Hurensöhne" begleitete und gelegentlich auch a-Cappella sang. Dabei reichte das musikalische Repertoire von Pop über italienische Canzoni bis hin zu Chorälen.
Mehrmals schlüpfte Maecker auch aus seiner Rolle als Don Juan und wandte sich direkt ans Publikum. So lobte er die Premierengäste dafür, dass sie trotz des Regens durchhielten: "Das Ganze soll in Eins-30 über die Bühne gehen."
Ein zweites Trocknen der Bühne schien dann auch nötig zu sein für den trockenen Humor mancher Pointen. Sganarelle, der angesichts peinlicher Situationen keine Worte zur Rechtfertigung seines Herrn fand, raunte Maecker zu: "Hast wohl den Text vergessen, Kollege?"
Einen weiteren Clou hatte sich Faltz ausgedacht bei der Besetzung der Rolle des Komtur. Den Vater der Donja Elvira mimte Marburgs Oberbürgermeister Egon Vaupel, der nach seiner Ermordung durch Don Juan als steinerne Statue wiederkehrte.
Gekonnt war auch das Lichtdesign von Rene Liebert Und Andreas Mihan. Mit immer wechselnder Beleuchtung zog es die Zuschauer fast genauso in seinen Bann wie die Schauspieler, die Band oder der Chor.
Im Stil der Comedia del Arte hatte Jelena Miletic wunderschöne Kostüme entworfen, die den komödiantischen Charakter der Inszenierung auf sehr anschauliche Weise betonten. Streckenweise war das Spiel eine witzige Persiflage oder gar Parodie des Stoffs, wohingegen an einigen wenigen Stellen dann doch Ernsthaftigkeit und Tiefe hindurchschimmerten.
Nach gut 90 Minuten endete die Premiere dann mit einem begeisterten Schlussapplaus. Alle Darsteller ernteten ihn nicht nur für ihre schauspielerischen Leistungen, sondern auch für die Widrigkeiten des Wetters, die sei scheinbar unbeeindruckt auf sich genommen hatten.
Besonders Maecker als Don Juan und Derendeli als sein Diener überzeugten gesanglich und darstellerisch. Aber auch alle anderen Darsteller zeigten sehr gute Leistungen.
Ebenfalls Lob verdient das Premierenpublikum, das trotz des wechselnden Wetters mit längerem Niesel, kurzzeitiger Trockenheit und einem etwas unangenehmeren Platzregen gelassen ausharrte. Die Dichte der Sitzreichen mag hier manche Angriffsfläche für feuchte Frustrierungen verringert haben.
Ärgerlich waren allein einige Schirme. Sie nahmen den Anderen nicht nur die Sicht, sondern stießen gelegentlich einem Nachbarn oder Vordermann gegen den Kopf.
Wer allerdings mit regenfester und warmer Kleidung vorgesorgt hatte, der erlebte selbst das Wetter als Bereicherung der Aufführung. Die Begeisterung drückte sich dann am Ende auch darin aus, dass praktisch alle Besucher minutenlang im Nieselregen sitzenblieben, um allen Mitwirkenden für ihren Einsatz gebührend zu danken.
Franz-Josef Hanke
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