10.05.2008 (nur)
Der große Raum in der
Volkshochschule Marburg (VHS) war bis auf den letzten Platz besetzt. Über 30 Zuhörer wollten die Hörfunk-Journalistin Ulrike Holler am Freitag (9. Mai) hören. Sie war zu Gast im VHS-Medienforum zum Thema "Dudelfunk oder Inhalte".
Die 64-jährige Journalistin hat gut 40 Jahre lang für den
Hessischen Rundfunk (HR) gearbeitet. "Ihr Name ist Programm", bestätigte eine Zuhörerin.
Doch die zwischenzeitlich pensionierte Freiberuflerin hat sich nicht nur im Radio einen Namen gemacht. Vielmehr wurde Holler für ihre engagierte Berichterstattung mit dem Elisabeth-Selbert-Preis des
Landes Hessen und dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Außerdem war sie im Jahr 2005 erste Preisträgerin des
Marburger Leuchtfeuers für Soziale Bürgerrechte.
Auf Einladung des Moderators Franz-Josef Hanke zeichnete die Frankfurterin die Entwicklung des Rundfunks in einem 45-minütigen Vortrag kritisch nach. Schon beim "Hambacher Fest" im Jahr 1832 sei die Pressefreiheit eine der Kernforderungen gewesen.
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs sei eine Freie Presse erneut ins Zentrum des öffentlichen Interesses gerückt. Doch seit der Erst-Ausgabe des Nachrichten-Magazins "Der Stern" im Jahr 1948 habe die journalistische Qualität erheblich eingebüßt.
Einen Wendepunkt sah Holler dabei in der Veröffentlichung gefälschter "Hitler-Tagebücher" durch das Hamburger Magazin. Hier habe die Sensationsgier und das erhoffte Geschäft vor der gründlichen Recherche rangiert, resümierte sie.
Nach und nach sei eine neue Art der Berichterstattung entstanden, die Holler als "Kikeriki-Journalismus" bezeichnete. Danach werden Geschichten künstlich aufgebläht, indem sie von einem Medium zum anderen "gekräht" werden.
In dieser Entwicklung sah die Journalistin eine Gefahr für die Demokratie. Längst sei die politische Berichterstattung in Deutschland mehrheitlich zu einem unkritischen Verlautbarungs-Journalismus verkommen. Es gebe allerdings immer noch aufrechte und engagierte Journalisten in den unterschiedlichen Medien, betonte Holler.
Dass "das äußere Gehabe" auch im öffentlich-rechtlichen Rundfunk im Laufe der Zeit wichtiger geworden sei als der Inhalt, räumte Holler zwar ein. Dennoch hielt sie sich bedeckt auf die Frage, wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk angesichts seines Qualitätsverlusts die Gebührenzahlung immer noch rechtfertigen wolle.
Ihre Frage "Wie kann man den Qualitätsjournalismus retten?" wurde auch vom Publikum rege diskutiert. Letztendlich bekannte die Hörfunk-Journalistin sich zur persönlichen Entscheidung jedes einzelnen Hörers oder Lesers für eine hochwertige Berichterstattung: "Ich lese jetzt die Süddeutsche Zeitung. Dort gibt es noch Querköpfe, an denen ich mich reiben kann!"
Nora Reim
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