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Behinderten-Proteste


Die mörderische "Ethik" des Peter Singer

02.06.2011 (fjh)
Ihren neuen "Ethik-Preis" möchte die Giordano-Bruno-Stiftung am Freitag (3. Juni) in der Deutschen Nationalbibliothek Frankfurt dem australischen "Bio-Ethiker" Peter Singer überreichen. Die Entscheidung der GBS hat eine heftige Kontroverse ausgelöst. Vor allem Menschen mit Behinderungen wenden sich entschieden gegen die Vergabe eines "Ethik-Preises" an Singer.
Bereits Ende der 80er Jahre hatte es ähnliche Kontroversen um die Positionen des Australiers gegeben. 1989 war er in Deutschland unterwegs, um seine Überlegungen zum Umgang mit schwer behinderten Neugeborenen vorzustellen.
In seinem 1985 auf Englisch erschienenen Buch "Should the Baby live?" stellte Singer das Lebensrecht von Behinderten zur Diskussion. Seiner Ansicht nach wäre es ethisch vertretbar, Neugeborene wegen einer schweren Behinderung bis zum 28. Tag ihres Lebens zu töten, da sie bis dahin kein Bewusstsein ihrer Person hätten.
Grundlage von Singers Haltung ist der sogenannte "Präferenzutilitarismus". Demnach sei es besser, einem behinderten Kind und seinen Eltern "Leid" zu ersparen, wenn vielleicht durch die Geburt eines anderen – nicht behinderten – Kindes ein glückliches Leben anstelle des leidvolleren möglich würde.
Als Motiv gab Singer damals an, er wolle Menschen "unnötiges Leid" ersparen. Für viele Behinderte war seine Argumentation jedoch Auslöser heftiger Empörung aus Furcht vor Ausgrenzung sowie vor einer Beförderung eugenischer Positionen.
Deswegen erhob sich unter Behinderten scharfer Protest, als Singer von der in Marburg ansässigen Bundesvereinigung Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung (BVLH) zu einer Diskussionsveranstaltung eingeladen wurde. Das Argument der Kritiker lautete: "Über unser Lebensrecht lassen wir nicht mit uns diskutieren!"
Ähnlich ist es nun wieder, seit die GBS ihre Entscheidung für eine Preisverleihung an Singer bekanntgegeben hat. Erneut wehren sich Behinderte dagegen, dass Singer öffentlicher Raum und sogar öffentliche Ehre zuteil werden soll.
Zwar würdigt die GBS mit ihrem Preis ausdrücklich nur das Menschenaffen-Projekt, an dem Singer beteiligt ist, doch sehen Behinderte in dieser Würdigung eine Rehabilitierung des australischen "Bio-Ethikers". Ein "Ethik-Preis" wäre nach ihrer Ansicht implizit eine Legitimierung seiner Positionen als angeblich ethisch vertretbare Haltung.
Bei der Diskussion mit in Marburg lebenden Menschen hörte Susanne Aatz - in den letzten Jahren zunehmend – Äußerungen wie "Wir haben den Faschismus längst überwunden. Solche Fragen wie die nach dem Lebenswert behinderter Menschen müssen unabhängig davon wieder offen gestellt werden dürfen!“
In einem persönlichen Kommentar auf der Internetseite der Humanistischen Union Marburg hat die blinde Rollstuhlfahrerin ihrer Sorge über den Zeitgeist Ausdruck verliehen, der einen fruchtbaren Boden für Singers Thesen bieten könnte. Selbst Leute, die es eigenen Angaben zufolge "gut meinen" mit Behinderten, äußerten sich letztlich in einer Weise, die die mehrfach behinderte Blinde als herabwürdigend empfindet.
Eine - zunehmend an Bedeutung gewinnende - Aussage aus Marburg und von Nichtbehinderten, die sagen sie seien Freunde, Angehörige und fleißige Unterstützer Behinderter, lautet nach Aussage von Aatz: "Ihr Behinderten müsst mal verstehen, dass Ihr durch Eure dauernden Forderungen uns nichtbehinderten die Lebensqualität nehmt!“
Solche Haltungen werden nach Einschätzung vieler Betroffener durch Singers Positionen befördert. Sie betrachten den australischen "Philosophen" als Personifizierung des Angriffs auf ihr persönliches Lebensrecht.
Eine Aufrechterhaltung der Entscheidung zugunsten Singers betrachten sie deshalb als Affront. Bereits vor der Preisvergabe war die GBS informiert gewesen über die Kritik an Singers behindertenfeindlichen Thesen.
In ihrer ersten Stellungnahme zur aufkeimenden Kritik an der GBS-Entscheidung hatte die im rheinland-pfälzischen Mastershausen ansässige Stiftung von einer "Rufmord-Kampagne" gegen Singer gesprochen. Dabei bezieht sie sich auf Singers eigene Sichtweise, die er unter dem Titel "Wie man in Deutschland mundtot gemacht wird" als Buchkapitel veröffentlicht hat.
Wer seine Positionen kritisiere, der habe Singers Bücher entweder nicht gelesen oder nicht verstanden, erklärte Dr. Michael Schmidt-Salomon für die GBS. Wer die Sorgen der Behinderten über Singers Positionen nicht ernst nimmt, ist aber schon aufgrund dieser mangelnden Feinfühligkeit ein behindertenfeindlicher Pseudo-Ethiker.
Franz-Josef Hanke
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