09.05.2008 (sts)
"Ich sehe hier Anzeichen für einen massiven Rosenkrieg. In jedem Fall bewegen wir uns im untersten Bereich des strafrechtlichen Rahmens", fasste Amtsrichter Edgar Krug das Prozessgeschehen zusammen. Angeklagt wegen des Besitzes kinderpornografischer Schriften war am Freitag (9. Mai) ein 52-jähriger Familienvater aus dem Ebsdorfergrund.
Krug stellte das Verfahren wegen "geringen Verschuldens“ gegen die Zahlung einer Geldbuße von 600 Euro an den Deutschen Kinderschutzbund (DKSB) ein.
Bei einer Hausdurchsuchung am 12. Juni 2007 waren in der Wohnung des Angestellten einer Reisefirma Bestell-Listen für kinderpornografische Fotos gefunden worden. Außerdem fand die Polizei einen PC, dessen Festplatte entfernt worden war, und eine externe Festplatte, auf der sich aber keine verbotenen Inhalte befanden.
Die mit den gemeinsamen sechs Kindern getrennt lebende Ehefrau des Angeklagten hatte ihn des sexuellen Missbrauchs der Kinder und des Besitzes kinderpornografischer Schriften bezichtigt. Der Vorwurf des sexuellen Missbrauchs war von der Staatsanwaltschaft jedoch schon im Vorfeld des Verfahrens mangels Anhaltspunkten fallen gelassen worden.
Der Angeklagte machte zu den Vorwürfen vor Gericht keine Angaben. Der als Zeuge vernommene Polizist musste eine Reihe formaler Fehler bei der Dokumentation der sichergestellten Gegenstände eingestehen.
"Ich habe Fehler gemacht. Das tut mir leid, aber ich kann es jetzt nicht mehr ändern“, räumte der seit 1993 bei der Polizei Marburg tätige Beamte ein.
Die sichergestellten Bestell-Listen waren völlig vergilbt und die Preise in D-Mark ausgeschrieben. Als Empfänger war auf dem Adress-Aufkleber zwar der Angeklagte genannt, allerdings mit einem Wohnort, den er bereits vor 28 Jahren verlassen hatte. Zu diesem Zeitpunkt war der Besitz dieser Bilder nicht strafbar gewesen.
"Es genügt zwar heute zur Verurteilung schon, so etwas zuhause aufzubewahren, doch es kann nicht mit Sicherheit bewiesen werden, ob der Angeklagte überhaupt wusste, dass sich diese Bestell-Listen in seinem Besitz befanden“, erklärte Krug. Auf Antrag der Verteidigung und mit Einwilligung der Staatsanwaltschaft stellte er das Verfahren vorläufig ein. Wenn der Angeklagte die Geldbuße ordnungsgemäß an den Kinderschutzbund überweist, wird das Verfahren endgültig eingestellt.
Stephan Sonntag
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