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Wind machen


Vaupel versprach Vermehrung von Vorrangflächen

24.05.2011 (fjh)
Erfreut über den unerwarteten Zuwachs äußerte sich Alexander Sasse beim elften Marburger Montagsspaziergang gegen Atomkraft. Gut 400 Menschen waren dem Aufruf des Anti-Atom-Plenums Marburg (AAM) gefolgt, um für den sofortigen Ausstieg aus der Nutzung der Atomenergie zu demonstrieren.
In seiner Rede bei der Abschlusskundgebung auf dem Marktplatz ließ Sasse noch einmal kurz die Ereignisse im japanischen Fukushima Revue passieren. Bereits 16 Stunden nach dem Erdbeben war es dort zur Kernschmelze im Reaktorblock 1 gekommen. Das hatte die Betreiberfirma Tokyo Electric Power Corporation (TEPCO) aber erst mehr als zwei Monate später zugegeben.
Nach der Katastrophe hatte die Bundesregierung die Reaktorsicherheitskommission beauftragt, einen sogenannten "Stresstest" für die deutschen Atomkraftwerke (AKW) zu entwickeln. Die Ergebnisse der Kommissionsarbeit hatte Bundesumweltminister Norbert Röttgen mit der Bemerkung vorgestellt, dass nun auch bisher ungeprüfte Gefahrensituationen berücksichtigt worden seien.
Der Prüfung zufolge hält keines der deutschen AKW einem Absturz des Airbus-Giganten A380 stand. Die ältesten Reaktoren wären selbst dem Absturz eines Kleinflugzeugs nicht gewachsen.
Diese Tatsache als "neu" zu bezeichnen, hielt Sasse für irreführend. Vielmehr sei sie seit Jahren bereits bekannt.
Um die Bevölkerung zu beschwichtigen, habe man in der Vergangenheit bei einigen AKW anstelle des großen Airbusses A380 einen Absturz seines kleineren Bruders A320 simuliert. Nun aber habe man endlich einmal alle Anlagen mit dem größten und schwersten Flugzeug der europäischen Fabrikation konfrontiert. Das Ergebnis war ernüchternd.
Doch Sasse hält die Überprüfung der Kommission für einen weiteren Beschwichtigungsversuch. Die tatsächlichen Gefahren seien noch viel schwerwiegender als die beim sogenannten "Stresstest" simulierten Situationen.
Im Gegenzug werde der Atomausstieg immer mit Horrorszenarien ausgemalt, die die Profite der Betreiber weiterhin sichern helfen sollen. Dabei sei er in Wirklichkeit die einzig richtige Alternative.
"Wie habt Ihr das Wochenende überstanden?", fragte Sasse in die Runde. Den verblüfften Demonstrierenden erklärte, dass am vorangegangenen Wochenende wegen Wartungsarbeiten nur fünf der insgesamt 19 deutschen Reaktoren am Netz waren. Die Lichter seien dennoch nicht ausgegangen.
Sasses Schlussfolgerung daraus unterstützten die gut 400 Anwesenden mit der rhythmisch vorgetragenen Forderung "Abschalten, und zwar jetzt und zwar alle und für immer". Diese Formel hatten sie einem Rap der Sängerin Beate Lambert abgelauscht, die auch beim elften Marburger Montagsspaziergang wieder für die musikalische Untermalung der Abschlusskundgebung auf dem Marktplatz sorgte.
Nach Lamberts gelungenem Auftritt überreichte eine Vertreterin der Greenpeace-Gruppe Marburg dem Oberbürgermeister mehr als 1.000 Postkarten mit der Forderung, die Stadt Marburg solle auf den Lahnbergen Vorrangflächen für Windkraftanlagen ausweisen. Die schwergewichtige Willensbekundung nahm Oberbürgermeister Egon Vaupel am Ende der Kundgebung in Empfang.
Die allwöchentlichen Demonstrationen betrachte er als Einsatz für die Stadt Marburg und ihre Bevölkerung, erklärte der SPD-Politiker. Er wolle sich – auch innerhalb seiner Partei - dafür einsetzen, dass im Stadtgebiet mehr Flächen für eine Nutzung von Windkraftanlagen ausgewiesen werden.
Ausdrücklich versprach er, dabei auch die Lahnberge mit einzubeziehen. Bislang hatte die SPD windkraftanlagen dort strikt abgelehnt.
Im Gegensatz zu anderen Politikern habe er seine Haltung zur Atomkraft nach der Katastrophe in Fukushima nicht ändern müssen, stichelte Vaupel mit Blick auf die Bundeskanzlerin Angela Merkel. Er habe dieser Technologie schon immer kritisch gegenübergestanden.
Die Erfüllung seines Versprechens, sich für den Atomausstieg durch einen weiteren Umstieg auf Stromerzeugung aus Sonne und Wind einzusetzen, werde das Anti-Atom-Plenum Marburg kritisch begleiten, kündigte Gunter Kramp unter dem Applaus der Demonstrierenden an. Danach entließen sie den Oberbürgermeister mit einem riesigen Sack voller Postkarten, die er gleich gegenüber ins Rathaus trug.
Mit bundesweiten Demonstrationen in 21 Städten möchte die Anti-Atom-Bewegung ihre Ausstiegsforderung schon am Samstag (28. Mai) erneut untermauern. Das AAM mobilisiert nach Marburg, wohin die Demonstrierenden am Samstagmorgen um 10.30 Uhr mit dem Zug vom Marburger Hauptbahnhof aus aufbrechen wollen.
Franz-Josef Hanke
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