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Vor Vernunft


Franz-Josef Hanke redete bei Anti-Atom-Montagsdemo

10.05.2011 (jnl)
Eine sehr lebendige Rede mit häufigem Szenenbeifall hielt der Journalist Franz-Josef Hanke am Montag (9. Mai) zum Atomausstieg. Der Zweite Vorsitzende des HU-Ortsverbands Marburg sprach bei der Abschlusskundgebung des neunten Marburger Montagsspaziergangs auf dem Marktplatz.
In seiner rund zwölfminütigen frei gehaltenen Rede nahm der blinde Träger des Bundesverdienstkreuzes die Geschichte der Atomkraft in Deutschland aus bürgerrechtlicher Warte ins Visier. In kurzen - dramaturgisch-rhetorische Spannungsbögen aufbauenden - Sätzen skizzierte er ein geschichtsphilosophisch optimistisches Bild der Entwicklung. Spontan spendeten die Zuhörer wiederholt Szenenapplaus.
Sein Namensvetter Franz-Josef Strauß kam dabei überhaupt nicht gut weg. Sowohl als "Bundesminister für Atomfragen" als auch als Bundesverteidigungsminister in der Adenauer-Ära versuchte er, die Atomtechnologie stark zu machen und auszubauen. Wenn es allein nach ihm und seinesgleichen gegangen wäre, wäre Deutschland - ähnlich wie das heutige Frankreich - mit Atomreaktoren flächendeckend zugepflastert.
Doch der Widerstand von Wissenschaftlern und demokratischen Protesten sorgte sowohl in der militärischen als auch in der sogenannten zivilen Nutzung der Atomkraft für eine relative Begrenzung des Gefahrenpotenzials. Strauß musste 1962 wegen der Spiegel-Affäre zurücktreten. 1988 starb er.
Doch auch die Gegenwart der Bundesrepublik ist keineswegs eine vorbildlich verwirklichte Demokratie, kritisierte Hanke. Zwei Drittel der Bundesbürger seien seit Jahren sowohl gegen den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr als auch gegen die Atomkraft. Doch die Abgeordneten des Deutschen Bundestags repräsentierten diese Mehrheitsmeinung nicht, gerade so, als wären sie selber der demokratische Souverän.
Leben die Deutschen etwa bereits in einer Art "Postdemokratie"? Der Begriff drückt eine Situation aus, in der die Strukturen einer Demokratie nur mehr formal erfüllt werden. Tatsächlich aber bestimmen kleine Zirkel aus Wirtschaft, Lobbyisten und Politikern am Volk vorbei , wohin gesteuert wird.
Das sei für ihn "keine gelebte Demokratie", monierte Hanke. Es sei ein ständig fortgeführter Skandal, dass "in Ministerien Vertreter von Wirtschaftsverbänden - auch der Atom-Lobby - sitzen und Gesetzentwürfe mitformulieren!"
Auch die deutschen Medien kamen nicht gut weg in der Gesamtschau Hankes. Die Berichterstattung zu Fukushima sei "mittlerweile bedenklich still geworden". Dabei sei die Katastrophe dort immer noch in vollem Gange.
Der angestrebte Atomausstieg werde derzeit mit einer Kampagne interessierter Kreise mise gemacht. Denn herausgestellt würden bevorzugt technische Schwierigkeiten und angeblich horrende Kosten. Damit sollten die Deutschen abgebracht werden von ihrem Wunsch nach einen schnellen - möglichst vollständigen - Atomausstieg, meinte Hanke.
Im Jahr des 50-jährigen Bestehens der Humanistischen Union verwies der Redner darauf, dass man sich Fortschritte, gelebte Demokratie und Bürgerrechte immer wieder neu erkämpfen müsse. Gegen die laufende Medien-Kampagne der Atomlobby müsse man aktiv werden.
Ausdrücklich dankte Hanke den Organisatoren der Antiatom-"Montagsspaziergänge" in Marburg und bundesweit. Für diese kontinuierliche Kraftanstrengung gebühre ihnen nicht nur Beifall, sondern vor allem die Beteiligunb bei ihren weiteren Aktionen.
Über die sogenannte "Ethik-Kommission" der Bundesregierung zur Energiewende äußerte sich Hanke sehr skeptisch. Eigentlich seien die Risiko-Fakten doch seit langem bekannt. Wozu bräuchte man da noch weitere Diskussionen?
Meinten die Abgeordneten des Bundestags etwa im Ernst, dass nicht sie selbst für Ethik in der Politik zuständig seien? Das wäre ein Armutszeugnis der Regierung und der Parlamentarier.
Hanke schloss mit der Erinnerung an eine persönliche Begegnung mit einem strahlenkranken "nuclear veteran" der US-Atomtests auf dem Bikini-Atoll. Anthony Guarisco diente ihm als eindrucksvolles Beispiel dafür, dass man durch demokratischen Protest auf der Straße viel erreichen könne. Im Namen der vielen hundert Protestdemonstrationen im ganzen Land forderte Hanke das schnelle "Abschalten aller Atomkraftwerke" in Deutschland.
Im musikalischen Programmteil trat nach ihm die Kinderlied-Autorin Beate Lambert vors Publikum. Mit drei Stücken zum E-Piano brachte sie größere Teile des Publikums zum Mitsingen.
Abschließend machte Sabine Altmann als Sprecherin des Anti-Atom-Plenums Marburg (AAM) darauf aufmerksam, dass auch am Montag (16. Mai) wieder ein Montagsspaziergang zur Energiewende stattfinden werde. Die gut dreihundert Teilnehmer der gerade stattffindenden Veranstaltung sollten in ihrem Umfeld dafür werben, um möglichst viele Menschen im andauernden Protest zu vereinen.
Jürgen Neitzel
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