26.04.2011 (ms)
Ist die zweite Frauenbewegung als soziale Bewegung durch Institutionalisierung und Verwissenschaftlichung an ihr Ende gelangt? Sind junge, karriere- und erfolgsorientierte Frauen, die sich selbst als Alpha-Mädchen bezeichnen, die Erbinnen der Frauenbewegung? Eignet sich der Begriff der Emanzipation noch als Bezugspunkt für feministisches Denken und feministische Politik? Oder braucht Deutschland angesichts der geschlechterpolitischen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts eine neue, dritte Welle der Frauenbewegung mit einem möglicherweise modifizierten Emanzipationskonzept?
Diese Fragen diskutiert Angela McRobbie vom Goldsmiths College in London bei ihrem Vortrag "Young Women and the New Sexual Contract: Post-feminist Tensions in Culture and Politics" am Freitag (29. April) ab 18.30 Uhr in der Alten Aula der
Philipps-Universität. Zusammen mit Grußworten der Universitätspräsidentin Prof. Dr. Katharina Krause, der Frauenbeauftragte Dr. Silke Lorch-Göllner und des Mainzer Interdisziplinären Arbeitskreises für Frauen- und Genderforschung ist der Vortrag eingebettet in einen Festakt anlässlich des 10jährigen Bestehens des Zentrums für Gender Studies und feministische Zukunftsforschung der Philipps-Universität.
Zusätzlich veranstaltet das Zentrum am Freitag (29. April) und Samstag (30. April) eine Tagung mit dem Titel "Emanzipation: Verwicklungen, Verwerfungen, Verwandlungen“. "In diesen zwei Tagen sollen interdisziplinäre geschlechterforscherischer Perspektiven auf das Konzept der Emanzipation im Kontext von Veränderungen in den Geschlechterverhältnissen und Frauenbewegungen geworfen werden", wie die Veranstalterinnen in allgemein verständlichem Deutsch ankündigen.
Während der lateinische Begriff der Emanzipation – als geistiges Produkt der europäischen Aufklärung - in den sozialen Bewegungen der 70er und 80er Jahre einschließlich der Frauenbewegung einen zentralen emphatischen Bezugspunkt darstellte, scheint er in den letzten Jahren zunehmend aus der Mode gekommen zu sein. Stattdessen grassieren Schlagwörter wie Gender Mainstreaming und Gleichstellungsmaßnahmen sowie die Polarisierung um das Für und Wider einer Frauenquote in der Wirtschaft, wie sie jüngst von der Europäischen Union (EU) angeregt wurde
Debatten aber, wie ungleiche Verhältnisse in Politik, Ökonomie und Gesellschaft grundsätzlich zu überwinden sind, bleiben indes aus. Vor diesem Hintergrund soll die Tagung das Zusammenspiel von Veränderungen in den Geschlechterverhältnissen und in Emanzipationsvorstellungen in unterschiedlichen historischen und geographischen Kontexten diskutieren.
Über sozial-. kultur- und geisteswissenschaftliche Analysen japanischer Jugend-Comics, Bibeltexte, US-amerikanischer TV-Serien, des postdramatischen Theaters, biografischer Bildungsprozesse von Migrantinnen sowie politischer und gesellschaftlicher Diskurse zu Familienpolitik, Islamischem Feminismus und Körpern sollen Überlegungen, die sich mit dem Wandel von Institutionen, kultureller Repräsentation und Subjekten auseinandersetzen, mit Überlegungen zu Veränderungen von Konzepten und zur Praxis von Kritik, Emanzipation und Utopie verbunden werden. Das Ziel besteht darin, aus verschiedenen theoretischen Disziplinen die Frage zu beleuchten, ob das Konzept der Emanzipation für frauen- und geschlechterpolitische Anliegen heute noch zeitgemäß ist. Für diesen Fall stellt sich die Frage, welche Verwandlungen und Verwerfungen hierfür notwendig sind, um an einem Projekt der Emanzipation festhalten zu können.
Die Tagung steht im Zusammenhang mit einem kooperativen Forschungsprozess, in dem die Mitglieder des Zentrums für Gender Studies der Frage nach dem Zusammenhang zwischen dem Wandel der Geschlechterverhältnisse und den Emanzipationsbewegungen von Frauen erforschen. Dieses Forschungsvorhaben basiert auf dem Zusammenschluss der Mitglieder des Zentrums für Gender Studies, die an verschiedenen Fachbereichen angesiedelt sind und sich im Kontext der Geschlechterforschung mit interdisziplinären Fragen auseinandersetzen.
pm: Philipps-Universität Marburg
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