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Kein Schaf


Entspannte Lesung über Neuseeland

07.04.2011 (jnl)
"Was scheren mich die Schafe", meinte die vor acht Jahren nach Neuseeland ausgewanderte Journalistin Anke Richter über ihre neue Wahlheimat. Ihr gleichnamiges Buch stellte sie am Mittwoch (6. April) in der Waggonhalle vor.
Autobiografisch unterlegt, schildert Richter darin die schönen ebenso wie die unangenehmen Seiten der Antipoden. Ihr Bericht beschrieb zugleich eine Kunst des Sichzurechtfindens in der andersartigen Kulturtradition und Lebensauffassung der "Kiwis". Der international gebräuchliche Spitzname der Insulaner bezieht sich auf eine dort heimische, flugunfähige Vogelart.
Wegen der gebirgigen Inseln betreibt die Agrarnation Neuseeland relativ viel Schafzucht. Statistisch gibt es dort 32 Millionen Schafe, aber nur 4,2 Millionen Menschen. Aber die kümmern die Auslandskorrespondentin Richter ja vorgeblich nicht.
Als Zugabe las sie indes eine Episode aus dem Buch, die seinen Titel ganz schön ad absurdum führte. Ihre beiden Söhne hatten begeistert ein mutterloses Lamm des Nachbarn als Haustier begrüßt. Stubenrein hingegen hat die Familie es nie erzogen bekommen.
Allein das häufige Aufwischen seines Urins hing der geplagten Mutter sehr schnell zum Hals heraus. Als man das Schäfchen aus dem Haus und in den Garten sperrte, waren ruckzuck alle Gemüsepflanzen angefressen und die Beete verwüstet.
Spannender als diese tragikkomische Familienerfahrung war indes die Erkundung der fremden Kultur. Die Maori, die 15 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachen, sind gleichberechtigte Bürger und überaus exotisch in ihren Traditionen.
Richter schilderte die Begegnung von Binnentouristen mit ihnen bei einem einwöchigen Seminar mit sehr viel lustigen, ironischen Details. Besonders die typische Maori-Gesichtstätowierung "Moko", die den Frauen schwarze Lippen erzeugt, beschrieb sie plastisch als ein Faszinosum.
Die geringe Bevölkerungsdichte ermöglicht eine - im Vergleich zu Deutschland - eher egalitäre Alltags- und Feierkultur. Motto-Parties mit wilden Verkleidungen scheinen sehr beliebt zu sein.
Vom Besuch eines "germanstyle"-Karnevalsfests hingegen war die gebürtige Rheinländerin bereits nach einem geschmacklich grenzwertigen Versuch gründlich kuriert. Bei ihrer drastischen Schilderung kam man aus dem Lachen kaum mehr heraus.
Mit Vorurteilen über die Deutschen hatte sie häufig zu kämpfen. Mit grimmigem Humor werden die Angehörigen der heutigen Generationen von den Kiwis als Söhne und Töchter Adolfs veräppelt. Humor ist, wenn man trotzdem lacht, statt empört einzuschnappen.
Die Folgen des starken Erdbebens von Dienstag (22. Februar) hat Richter unmittelbar mitbekommen. Das Epizentrum lag nahe der Großstadt Christchurch.
Deren Zentrum ist völlig zerstört worden. Begeistert berichtete die Autorin indes von der großen Hilfsbereitschaft der Kiwis, die die Naturkatastrophe hervorgelockt hat.
Auf eine sehr gewinnende, souveräne Art brachte Richter ihre scharfsinnigen Alltagsbeobachtungen zur Sprache. Als spaßigen "Abwehrzauber" gegen etwa als rechthaberische Fremdkritik empfundene Aussagen hatte sie vor ihrem Lesetisch ein Tuch mit der Aufschrift "I love NZ" angebracht. Die rund 70 Besucher der Lesung standen nach fast zwei Stunden voller skurriler Episoden-Lesung und Fragen-Beantwortung in Scharen für den Erwerb des tollen Buches an.
Jürgen Neitzel
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