06.05.2008 (sts)
Georg Fülberth ist ein Mann der klaren Worte. Der 68-jährige emeritierte Professor für Politik und Linken-Stadtverordneter hat ein neues Buch geschrieben: "Doch wenn die Dinge sich ändern – Die Linke". Im Gespräch mit marburgnews äußerte sich Fülberth zur aktuellen politischen Situation in Deutschland, Hessen und Marburg, zur Krise der SPD, zum Aufstieg der Linkspartei und zu seinen persönlichen Zukunftsplänen.
"Die SPD hat ein Schröder-Trauma. Solange sie dieses nicht überwindet, kommt sie nicht mehr hoch", behauptet Fülberth. Wie "Mühlsteine" hingen die "vier Sünden" der Schröderschen Politik um den Hals der SPD. Diese vier "Sünden" seien Hartz IV, die Rente mit 67, die Steuerreform 2000 und der Bundeswehreinsatz in Afghanistan.
Diese politischen Maßnahmen hätten die deutsche Sozialstruktur nachhaltig verändert, den Niedriglohnsektor ausgedehnt, prekäre Arbeitsverhältnisse befördert und "neue Armut" entstehen lassen. Mit dem Verlust aller Sitze im Bundestag nach der Wahl 2002 sei "die alte PDS am Ende gewesen", nur durch die Politik der Agenda 2010 habe sie überleben können. "Schröder und Lafontaine haben die Linke gerettet. Sie sind die Gründer der Linkspartei", sagt Fülberth. Und solange die Umverteilung von unten nach oben weiter gehe und die Spaltung der Gesellschaft vorangetrieben werde, habe die Linke auch eine Zukunft in Deutschland.
Auf kommunaler Ebene sei das Verhältnis zwischen Linker und SPD deutlich entspannter. Im schwarz-grünen Landkreis Marburg-Biedenkopf sei dies schon allein durch die gemeinsame Oppositionsrolle bedingt. "Ich sehe uns als Ideengeber für die SPD", definierte Fülberth die Rolle der Linken im Stadtparlament. In den jüngsten Beschlüssen des SPD-Stadtparteitags seien beispielsweise zahlreiche Forderungen der Marburger Linken wieder zu finden. Andererseits benötigten die Linken die SPD als Mehrheitsbeschaffer, damit vernünftige Vorschläge auch umgesetzt würden.
Dieses gegenseitige fruchtbare Verhältnis sei theoretisch auch auf Landesebene übertragbar. Einziger Hinderungsgrund sei der starke rechte Flügel in der Hessen-SPD um Politiker wie Dagmar Metzger oder Jürgen Walter. Solange deren Einfluss auch bundesweit bestehen bleibe und gar der "Schröder-Einflüsterer" Walter Steinmeier noch zum Kanzlerkandidaten ernannt werde sei "der Leidensweg der SPD noch nicht zu Ende".
Ein Ende seines persönlichen, politischen Engagements als Mandatsträger hat Fülberth aber fest im Blick: "2011 bin ich 72 Jahre, dann werde ich garantiert nicht noch einmal für die Linkspartei in der Stadt kandidieren." Einen Beitritt zur Partei "Die Linke" schließt Fülberth als langjähriges Mitglied der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) aus: "Das ist eine persönliche Marotte von mir." Die pure Existenz der DKP sei zudem nützlich für die Linke, da sie dadurch demonstrieren könne, keine kommunistische Partei zu sein. Als Autor will Fülberth weiter aktiv bleiben. Ein neues Buch sei zwar noch nicht in Arbeit, doch einen Titel für die Zeit nach 2009 hat er schon parat: "Die Spaltung der deutschen Sozialdemokratie."
Stephan Sonntag
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