05.04.2011 (fjh)
"Atomkraftwerke können grundsätzlich nicht sicher betrieben werden", stellte Prof. Dr. Hans Ackermann klar. Der emeritierte Physiker sprach am Montag (4. April) auf dem Marktplatz bei der Abschlusskundgebung des vierten Marburger Montagsspaziergangs unter dem Motto "Abschalten".
Gut 700 Teilnehmende hatten die Veranstalter vom
Anti-Atom-Plenum Marburg (AAM) diesmal gezählt. Erfahrungsgemäß liegen ihre Zahlen aber immer unter den offiziellen Angaben der Polizei.
Zu Beginn seiner Rede erinnerte sich Ackermann an eine Demonstration, die am 6. Mai 1986 an gleicher Stelle stattgefunden hatte. Damals habe große Sorge wegen der radioaktiven Strahlung geherrscht, die nach der Explosion des Atomkraftwerks Tschernobyl auch über Deutschland hereingezogen war.
Als ein Regenguss herniederging, habe Stadtrat Alexander Müller das Rathaus geöffnet, um Kinder und Schwangere in Sicherheit zu bringen, erinnerte sich Ackermann. Zwar sei die voraussichtliche radioaktive Belastung für Deutschland diesmal nicht so stark, doch könne bald wieder ein erneuter GAU stattfinden.
Nach den Statistiken der Atomkraft-Betreiber wäre ein sogenannter "GAU" sehr unwahrscheinlich. Tatsächlich habe es in den gut 60 Jahren seit der Inbetriebnahme der ersten Atomkraftwerke aber ungefähr alle zehn Jahre einen heftigen Störfall gegeben.
Ackermann listete eine Reihe von schweren Unfällen auf, die 1957 begann und bei dem aktuellen Ereignis im japanischen Fukushima endete. Der Physiker zeigte sich überzeugt, dass dort bereits die Kernschmelze eingetreten ist.
"Vielleicht" – so hofft Ackermann – werde dort aber eher die Wahrheit gesagt als vor 25 Jahren im sowjetischen Tschernobyl. Höhnisches Gelächter der Demonstrierenden veranlasste ihn zur Wiederholung des Worts "vielleicht".
Stolz verwies der Redner auf die bisherigen Erfolge der Anti-Atom-Bewegung. Der "Schnelle Brüter" in Kalkar am Niederrhein sei nie ans Netz gegangen und diene heute als Vergnügungspark. Nach kaum sechs Jahren Laufzeit dient der sogenannte "Kugelhaufen-Reaktor" in Hamm-Uentrup seit seiner Abschaltung im September 1989 als Aufbewahrungsort seines radioaktiven Kugelhaufens.
Mehrfach zitierte der Redner aus einem Brief, den 300 Wissenschaftler am Mittwoch (30. März) an die Bundeskanzlerin geschrieben haben. Er selbst ist Mitunterzeichner dieses Schreibens.
Zu lange habe die Wissenschaft zu den Gefahren der Kernkraft geschwiegen, erklärten die Verfasser gegenüber Angela Merkel. Dabei sei längst klar, dass der "Größte Anzunehmende Unfall" (GAU), wie ihn die Betreiber als sogenanntes "Restrisiko" in Kauf nehmen wollen, nicht beherrschbar sei.
Deswegen forderte Ackermann das "Umsteigen" hinaus aus der Atomkraft und hinein in erneuerbare Energien. Hier bilde das
Land Hessen ein trauriges Schlusslicht.
Dabei sei es schon innerhalb weniger Jahre möglich, die Stromversorgung auf erneuerbare Energieträger umzustellen. Ein Vorreiter sei hier auch die
Stadt Marburg, erklärte Ackermann stolz.
Doch habe das Land Hessen sogar der städtischen Solarsatzung Steine in den Weg gelegt, anstatt sie nach Kräften zu unterstützen. Angesichts der Gefahren, die den Menschen in Fukushima drohen, müsse man wohl auch das eine oder andere Windrad hinnehmen, forderte Ackermann.
Ausdrückliches Lob spendete er den
Stadtwerken Marburg (SWM), die neben der dezentralen Versorgung der Menschen mit umweltfreundlicher Energie auch spezielle Programme zur Förderung sparsamer Energienutzung aufgelegt haben. Zur Anschaffung neuer sparsamer Elektrogeräte könne man dort einen Zuschuss erhalten. Das sollten sich die Anwesenden nicht entgehen lassen, riet Ackermann: "Ran an den Speck!"
Franz-Josef Hanke
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