03.04.2011 (jnl)
Schon zweimal hatte das Puppentheater Halle/Saale den Preis der Hessischen Kinder- und Jugendtheaterwoche gewonnen. Deshalb lief die Uraufführung von "Der erste Traum des Leuchtturmwärters" am Samstag (2. April) im
Hessischen Landestheater Marburg außer Konkurrenz als krönender Abschluss.
Auch diesmal enttäuschte der Regisseur und Hauptdarsteller Christoph Werner mit seinem tollen Stück nicht. Zu Anfang dachte man tatsächlich, nun folgt ein Marionettentheater klassischer Machart. Der Puppenstuben-große Nachbau eines Leuchtturms, der mit abgehobenen Dachaufsatz bespielbar war, stand vorn mitten auf der Bühne.
Doch dann öffnete sich überraschend der Vorhang. Alles, was in Miniatur auf der Marionettenbühne vorhanden war, fand man nun - mit einer eigenartigen Patina bedeckt - lebensgroß wieder.
Der Darsteller entdeckte an der Wand Fotos von seiner Mutter und seinem Vater. Ganz unvermeidlich geriet er ins Erzählen, wie es dazumal gewesen sei.
Als sich die beiden kennenlernten, war sie eine Ausgerissene und er - des Leuchttürmers Vater - hatte sie aus Seenot gerettet. Später trennte sich die Mutter vom Vater, weil ihr die größere Welt dort fehlte.
Ein paar Jahre später machte der Sohn es der Mutter nach. Er stieg ins kleine Boot, um auf das Festland auszubüchsen. Doch auch er geriet in Seenot und musste gerettet werden.
Den Vater spielte Nils Dreschke. Den Jungen stellte eine kindsgroße Puppe dar, die von dem - in einem weißem Ganzkörperüberzug verborgenen - Puppenspieler Uwe Steinbach geführt wurde.
Die einleuchtende Idee, mittels Puppenspiel ein kindliches Trennungstrauma zugänglich und neu bearbeitbar zu machen, ist einfach großartig. Viele Scheidungskinder gibt es heute und daher auch viele kleine und große Interessenten für einen solchen Stoff.
Erst als der kleine Junge groß und selber der Leuchtturmwärter geworden ist, muss er eines Tages ausgerechnet das Sandmännchen vor dem Ertrinken retten. Zum Dank gibt es ihm die Fähigkeit zum Träumen und zum einfach spontan Leben zurück.
Diese Geschichte einer Heilung hat die Qualität eines guten Märchens. Sie bahnt der Gesundung einen Weg.
Manch ein traumatisiertes Kind könnte dadurch ermutigt werden, sein verdrängtes Problem neu zu verarbeiten. Alle Zuschauer aber, die mit dem Herzen hinsehn, werden sensibilisiert. Viel mehr kann ein Kindertheater doch gar nicht leisten!
Jürgen Neitzel
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