02.04.2011 (fjh)
"New Yiddish Songs" spielten Stella und Ma Piroschka am Freitag (1. April) in der
Waggonhalle. Dabei präsentierten sie einem Mix unterschiedlichster Stilrichtungen, der vom klassischen Blues über Jazz-Elemente bis hin zu jiddischem Klezmer reichte.
Die Musik der Juden im osteuropäischen Städl machte dabei allerdings den allerkleinsten Teil des Abends aus. Vielmehr schienen die Musiker fast eine Abneigung gegen Klezmer zu haben, was sich auch in den Zwischenansagen von Ralf Böcker niederschlug.
Dennoch waren gerade die wenigen Klezmer-Einlagen die Höhepunkte des Abends. An der Klarinette zeigte Böcker dann, wie ausdrucksstark diese Musik sein kann. Bei den wenigen Klezmer-Stücken erinnerte seine weinende oder lachende Klarinette fast an das Spiel des großartigen Giora Feitman, der die Meisterschaft in dieser Kunst besitzt.
Aber auch Böcker zeigte im Laufe des Konzerts ausgesprochen viel Talent. Mühelos wechselte er von der Klarinette zum Bandoneon oder einem E-Piano, ohne dass man bei irgendeinem dieser Instrumente je irgendeine Schwäche herausgehört hätte.
Auch sein Mitspieler Andreas Heck zeigte großes Können nicht nur auf der Gitarre, sondern auch am Triangel. Dabei war sein rasend schnelles Spiel das diametrale Gegenteil dessen, was Georg Kreisler vor etwa 50 Jahren in seinem Lied vom Triangelspieler "mitten im Orchester drin" beschrieben hat.
Auch die Sängerin Stella Jürgensen bewies überragende Klasse. Mühelos traf ihre Stimme sowohl die leisen wie auch die sehr lauten Töne.
Die Texte von Rayzel Zychlinski hatte Böcker selber vertont. Die unlängst verstorbene jiddische Dichterin hatte die meisten davon in ihrer zweiten Wahlheimat in den Vereinigten Staaten von Amerika (USA) verfasst.
Allerdings wirkten die meist sehr kurzen Gedichte, deren Text dann bei einem Lied oft mehrmals wiederholt wurde, nicht so stimmungsvoll wie die Klassiker der jiddischen Literatur. Das melancholisch-fröhliche Lebensgefühl des Klezmer mochte an diesem Abend kaum aufkommen.
Eher als Zychlinskis Texte überzeugten da noch diejenigen von Else Lasker-Schüler, die trotz ihres Hochdeutschs mehr von der typisch jiddischen Stimmungslage auszudrücken vermochten. Hier kam dann auch etwas mehr von der wehmütigen Lebensfreude und humorvollen Trauer an als bei Zychlinskis Texten.
auptgrund für den – zumindest bei einigen im Publikum –nicht übergesprungenen Funken war wohl die kühle Distanz der drei Musiker zur klassischen Klezmer-Kultur. Das einzige halbwegs bekannte Klezmer-Traditional spielten sie auch nur als Instrumental, damit nicht "alle mitsingen".
Wer eine Mixtur aus Jazz, Blues oder Reggae bevorzugt und nicht so sehr auf Klezmer wartet, dem mag Ma Piroschka durchaus gefallen. Technisch jedenfalls waren alle drei Musiker am Freitagabend perfekt.
Der freundliche Applaus spiegelte die Anerkennung dieser Leistung wider. Beim Verkauf von CDs im Foyer fragten die meisten dann nach Aufnahmen mit der Sängerin Stella, die bei alledem am sympathischsten herübergekommen war.
Franz-Josef Hanke
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