01.04.2011 (fjh)
Mit zwei der begehrten "Starting Grants“ des Europäischen Forschungsrats (ERC) werden der Biochemiker Prof. Dr. Gerhard Schratt und der Mediziner Prof. Dr. Thorsten Stiewe gefördert. Das hat die
Philipps-Universität am Freitag (1. April) bekanntgegeben.
Stiewe erhält 1,5 Millionen Euro, um die Funktion des Proteins p73 bei Krebserkrankungen zu untersuchen. Schratts Arbeit zu den molekularen Grundlagen neuronaler Schaltkreise wird mit 1,45 Millionen Euro unterstützt. Mit dem Informatiker Prof. Dr. Klaus Ostermann, der die begehrte Förderung bereits im Jahr 2008 erhielt, forschen an der Philipps-Universität nunmehr sogar drei Träger von "ERC Starting Grants“.
"Die Marburger Lebenswissenschaften können sich im europäischen Vergleich bestens behaupten, wie die jüngsten Erfolge bei der ERC-Förderung einmal mehr belegen“, freute sich Universitäts-Vizepräsident Prof. Dr. Frank Bremmer. Die erfolgreichen Bewerber um einen "ERC Grant“ werden in einem höchst kompetitiven Verfahren aus einer großen Zahl von Antragstellern ausgewählt.
Die wissenschaftliche Arbeit von Schratt gilt der Fähigkeit neuronaler Netzwerke, sich ständig auf neue Erfahrungen und eine veränderte Umwelt einzustellen. Diese Hirnleistung kann allerdings bei psychiatrischen Störungen wie Autismus und Schizophrenie gestört sein.
Der Biochemiker geht davon aus, dass eine kürzlich entdeckte Klasse von Molekülen hierfür von Belang ist. Sie werden als "mikroRNAs" bezeichnet.
"MikroRNAs sind winzige Erbgutschnipsel, die als molekulare Bremsen wirken und die Bildung wichtiger Proteine unterdrücken“, erläuterte der Wissenschaftler. In Nervenzellen verhindern bestimmte mikroRNAs, dass es zu unkontrolliertem Wachstum von Synapsen kommt.
Schratt möchte diesen Zusammenhang mit einer Vielzahl neuartiger Forschungsansätze aufklären. Unter anderem arbeitet er dabei mit bildgebenden Verfahren und mit genetischen Experimenten an Modellorganismen.
Schratt absolvierte ein Biochemie-Studium in Tübingen, wo er 2001 auch promoviert wurde. Nach Forschungsaufenthalten an der Harvard Medical School und in Heidelberg folgte er im Jahr 2010 einem Ruf an die Philipps-Universität, wo er das Institut für Physiologische Chemie leitet. Zudem ist Schratt Träger des Joachim-Siebeneicher-Forschungspreises und des Chica-und-Heinz Schaller-Forschungspreises.
Stiewes Forschungsprojekt widmet sich der Funktion des Moleküls p73 bei Krebserkrankungen. Insbesondere gilt seine Aufmerksamkeit dabei dem Zusammenwirken von p73 mit weiteren Faktoren.
Der Transkriptionsfaktor p73 kann sowohl tumor fördernd wirken als auch tumor unterdrückende Effekte haben. Das legt nahe, dass hierbei kooperierende Moleküle eine Rolle spielen.
"Im Verlauf ihrer Entwicklung gelingt es vielen Tumoren, gezielt die tumor unterdrückende Funktion von p73 abzuschalten“, berichtete Stiewe. "Die Tumore verwandeln p73 quasi von einem Tumorsuppressor in das Gegenteil - ein Onkogen.“
Dadurch werden die Krebszellen abhängig von Faktoren, die kontinuierlich wirken müssen, um die p73 vermittelte Tumorsuppression in Schach zu halten. "p73 wird so zu einer Zeitbombe für den Tumor“, erklärte der Molekularbiologe.
Ziel des vom European Research Council geförderten Projektes ist es Stiewe zufolge, diese Erkenntnisse therapeutisch zu nutzen und neuartige Therapiestrategien zu entwickeln. Sie sollen den Tumor durch das Ausschalen der p73-Zeitbombe bekämpfen.
Stiewe studierte Humanmedizin und Chemie an der Universität Essen, wo er im Jahr 2000 auch promoviert wurde. Nach einer Forschungstätigkeit als Nachwuchsgruppenleiter in Würzburg habilitierte er sich im Jahr 2007 für Biochemie und Molekularbiologie.
2007 wurde er als Professor für Molekulare Onkologie an die Philipps-Universität berufen. Ebenfalls im Jahr 2007 erhielt er die C. G. Schmidt-Medaille des Westdeutschen Tumorzentrums.
Der dritte Marburger Wissenschaftler, der einen "ERC Starting Grant“erhalten hat, ist der Informatiker Prof. Dr. Klaus Ostermann. Er war im Jahr 2008 der einzige deutsche Vertreter seines Fachs, der mit der begehrten Förderung ausgezeichnet wurde.
Zudem empfing Prof. Dr. Gerhard Klebe 2010 den "Advanced Grant“ des ERC für etablierte Wissenschaftler. Er lehrt Pharmazeutische Chemie an der Philipps-Universität.
Der Europäische Forschungsrat verfolgt mit seiner Nachwuchs-Förderlinie das Ziel, Entfaltungsmöglichkeiten für wissenschaftliche Talente zu schaffen, die bereits das Potenzial gezeigt haben, dass sie unabhängige Forschung auf höchstem Niveau zu betreiben vermögen.
pm: Philipps-Universität Marburg
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