30.03.2011 (fjh)
Im Vorfeld hatte man diese Theaterfassung eines erfolgreichen Kinderbuchs von Claudia Schreiber sehr gelobt. Die Aufführung von "Sultan und Kotzbrocken" in einer Fassung von Bäbel Maier am Mittwoch (30. März) im
Hessischen Landestheater Marburg durch die KITZ Theaterkumpanei Ludwigshafen war indes keine Sternstunde des KUSS-Festivals.
Gezeigt wurde ein kleiner dicker Sultan, der nichts weiter kannte, außer auf seinem zwei Meter hohen Thron zu sitzen und sich von seinen hundert Ehefrauen von hinten und vorne bedienen zu lassen. Aber dann kam ein junger Mann direkt von der Straße in sein überbehütetes Leben und alles wurde anders.
Immer nur auf dem Thron herumsitzen schien ihm auf einmal langweilig. Er beobachtete genau, was der neue, gleichaltrige Diener so alles anstellte.
Der Sultan nannte ihn kurzerhand "Kotzbrocken", weil der manchmal ungeschickt war. Aber dann wieder konnte man plötzlich wegen ihm so viel Neues ausprobieren und dazulernen.
Durch ein rundes Dutzend skurrile Episoden stritten und vertrugen sich die beiden ungleichen Freunde. Denn aus Herr und Knecht werden "natürlich" Freunde. So wie es bei Disney ein "Happy End" geben muss, so geschah es auch hier.
Den ebenso trägen wie harmlos boshaften Sultan verkörperte Peer Damminger mit Charme. Diese Figur des kleinen Paschas war von eigensinniger, fast gleichbleibender Einfalt, über die das Publikum schadenfroh lachen konnten.
Denn die Kinder aus den zahlreichen Grundschulklassen im Publikum konnten alle längst viel mehr als dieser märchenhafte "Dummling". Und er fiel wirklich verflixt häufig auf seinen dicken Popo in die Kissen.
Stellvertretend für die hundert Frauen, die der Sultan hatte heiraten müssen, spielte Bärbel Maier eine davon. Sie fungierte als Off-Erzählstimme ebenso wie als Muttergestalt und Bedienerin. Für den Kern der Geschichte war diese Figur zwar nicht unbedingt nötig, aber sie spielte ihre Nebenrolle soweit ganz überzeugend.
Einen schlauen, frechen aber im Grund gutmütigen Gegenpart des Sultans gab der iranische Schauspieler Mehdi Farshidi Sepehr als des Sultans neuer Diener. Manchmal wechselte er in die iranische Landessprache Farsi, wenn er schimpfte.
Die Kooperation mit dem iranischen Kindertheater "Taatr Mani" aus Teheran war der eigentliche Clou dieser Produktion. Deswegen war sie als Beitrag zum Schwerpunktthema des KUSS-Festivals 2011 - Migration und Integration - ausgewählt worden. Solche internationale Komponenten, wo durch gemeinsame Projekte mit weit entfernten Ländern Brücken gebaut werden, sind nun auch eher selten.
Im aufgeführten Stück selber war von diesen Hintergründen allerdings kaum etwas zu merken. Außer eben dass der Diener "Kotzbrocken" ab und zu in unverständlicher Sprache schimpfte oder jubelte.
Bemerkenswert schön waren die Folklore-Kostüme, die Gabi Kinscherf kreiert hatte. Der Bildungswert der Episoden muss leider als ähnlich dürftig wie herkömmliche Fernseh-Zeichentrickserien bewertet werden.
Unterhaltend kann man das wegen der schönen Ausstattung, des Slapsticks und der guten Schauspieler immerhin nennen. Leider war das Stück zumindest für deutsche Schulkinder wegen Belanglosigkeit kaum nachhaltig zu nennen.
Die erlebbare Unruhe in den Zuschauersesseln der Grundschulklassen sprach eher nicht für eine hohe Faszination des Stoffes. Man fragte sich, wie man auf die Alterseinstufung "für Menschen ab 7 Jahren" gekommen war. Warum war das nicht für Nachwuchs ab 4 Jahren freigegeben?
Für 10-Jährige lagen die im Stück angesprochenen Stufen der kindlichen Selbständigkeit doch schon eher weit zurück. Sich Anfreunden und "Dazulernen" ist auch im Kindergartenalter bereits ein großes Thema.
Jürgen Neitzel
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