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Selbstbewusste Venus


AYA-Tanztheater hinterfragte Frauenbilder

29.03.2011 (fjh)
Sieben Tänzerinnen und ein Tänzer machen sich warm auf der Bühne. Sie tänzeln, springen und treiben Gymnastik.
Nach und nach nimmt das Publikum Platz in der "Bühne" des Hessischen Landestheaters Marburg. Bis auf den letzten Platz besetzt ist der einstige Kinosaal. Als alle sitzen, wird das Licht heruntergedreht. Eine der Tänzerinnen tritt vor an die Bühnenrampe.
"Unser Deutsch ist zwar nicht besonders gut", erklärt sie in akzentfreiem Deutsch. "Aber wir haben dennoch eigens für diesen Abend eine deutsche Fassung unseres Stücks eingeübt."
"Venus" lautet der Titel des Gastspiels des AYA-Tanztheaters aus Amsterdam. Im Rahmen der Hessischen Kinder- und Jugendtheaterwoche "KUSS" zeigten die Niederländer am Montag (28. März) ihre Auseinandersetzung mit Weiblichkeit, Sexualität, Gleichberechtigung und Selbstbestimmung.
Ungewöhnlich waren die Wege, wie die Truppe das Publikum ans Thema heranführte. Da wurde getanzt, gesungen, gelacht und gesprungen, gesprochen und geweint, gehechelt und persifliert.
Dabei bewiesen die acht Akteure beachtliches tänzerisches, mimisches und akrobatisches Geschick. Zwischendurch brachten sie das – nur teilweise junge -Publikum immer wieder zum Lachen.
"When a Woman loves a Man", sang eine der Amsterdamerinnen in Umdrehung eines Popsongs von Percy Sledge. Auch Nina Hagens "Unbeschreiblich weiblich" wurde eingespielt, um Frauenrollen und Klischees in Frage zu stellen.
"Ich bin behaart", klagte eine der Tänzerinnen. "Ich habe einen Damenbart. Das ist mir sehr peinlich."
Die Perücke unter ihren Armen sorgte natürlich für Gelächter. Schließlich war sie alles andere als ein maskuliner Typ.
"Der Bauch einer Frau muss glatt sein", erklärte eine andere. Doch warum könnte er nicht rund sein?
Was sie mit dem Kopf durchdenke, das werde selten so gut wie das, was sie aus dem Bauch heraus tue. Und schließlich kommen ja auch die Kinder aus dem Bauch.
Durchaus anstößig war das, was die Anwesenden über Sex aussagten. Sie stellten ihre Vorlieben vor und sparten dabei nicht an Deutlichkeit.
Das Generalthema "Migration" brachte eine Tänzerin zur Sprache, die den Umgang der Muslime mit Sexualität hinterfragte: "Ich habe Sex. Doch in unserer Kultur darf man darüber nicht sprechen."
Trotzdem war gerade diese Herangehensweise absolut passend für ein Jugendtheaterstück. Zurück blieb Aufklärung ohne erhobenen Zeigefinger, sondern mit geschwungenen Beinen.
Letztlich konnte das Stück Mädchen und junge Frauen darin bestärken, ihre eigene Weiblichkeit zu suchen und auszuleben. Das gelang den Holländerinnen in 115 Minuten recht gut.
Während sie im letzten Teil eher ihr akrobatisches Können darboten, indem sie einander hoch hoben oder sich gegenseitig ansprangen, überzeugte der erste Teil durch ein ausgewogenes Verhältnis von Sprache, Gesang, Geräuschen und Tanz. Selbst A-Capella-Gesang und auch A-Cappella-Gestöhn gelangen den acht Tänzern hervorragend. Beim Marburger Festival sind die Niederländer durchaus schon gute Bekannte. Dass sie immer wiederkommen, ist ein berechtigter Ausdruck ihrer Qualität. Die Darbietung am Montagabend war ein erneuter Beweis ihrer Fähigkeit, auch heikle Themen auf elegante Weise an Jugendliche und Erwachsene heranzubringen.
Franz-Josef Hanke
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