27.03.2011 (fjh)
Über "Frühlingswetter" freute sich Egon Vaupel am Sonntag (27. März) im Rathaus nicht nur im wörtlichen Sinne. Bereits im ersten Wahlgang sicherte sich der Marburger Oberbürgermeister die Wiederwahl.
Mit 59,3 Prozent der abgegebenen Stimmen rangierte der Sozialdemokrat deutlich vor seinen sechs Herausforderern. Wieland Stötzel von der CDU errang 17,8 Prozent. Bürgermeister Dr. Franz Kahle von den Grünen erreichte 12,6 Prozent der Stimmen.
Auf 4,5 Prozent schaffte es Henning Köster von den Linken. Mit 3,5 Prozent konnte Reinhold Becker von der Marburger Bürgerliste (MBL) immerhin noch einen Achtungserfolg verbuchen.
Seine 1,9 Prozent waren für Jörg Behlen von der FDP offensichtlich enttäuschend. Unbeirrbare 0,7 Prozent der Wähler gaben der Anarchistischen Pogo-Partei (APPD) ihre Stimme.
Vaupels Sieg bewertete Kahle als Ergebnis einer guten Arbeit für die
Stadt Marburg. Ähnlich äußerten sich auch der SPD-Landtagsabgeordnete Dr. Thomas Spies und der SPD-Bundestagsabgeordnete Sören Bartol am Wahlabend im Rathaus.
"Er hat seinen Amtsbonus genutzt", erklärte der CDU-Fraktionsvorsitzende Philipp Stompfe. Hätte die CDU - wie bei einer Stichwahl - noch weitere 14 Tage Zeit gehabt, dem Wahlvolk ihre Positionen zu verdeutlichen, dann hätte das Ergebnis seiner Ansicht nach besser ausgesehen für sie. Ganz ähnlich äußerte sich auch OB-Kandidat Stötzel.
Bei der Auszählung der Kopfstimmen für die Parteilisten des Stadtparlaments zeichnete sich kurz vor 22 Uhr ein leichtes Übergewicht der Grünen mit rund 24 Prozent vor der CDU mit 23 Prozentpunkten ab. Stärkste Partei sind wohl unangefochten die Sozialdemokraten mit rund 35 Prozent. Die Grünen kommen demnach auf 7,3 Prozent.
Die FDP, die Bürger für Marburg (BFM) und die Piratenpartei rangieren um 2 Prozent. Alle anderen Wahllisten liegen weit darunter.
Im Landkreis liegt dagegen die CDU mit ungefähr 37 Prozent vorn. An zweiter Stelle kommt die SPD mit etwa 24 Prozent.
Die Grünen haben auch hier runde 15 Prozent eingefahren, sodass die FDP mit knappen zwei Prozent nicht mehr zur Koalitionsbildung gebraucht wird. Spannend ist hier, ob die CDU nun an einer Koalition mit der CDU festhält oder sich eher der SPD zuwenden wird.
Die Volksabstimmung zur Verankerung der "Schuldenbremse" in der Hessischen Landesverfassung hat in Marburg ebenfalls ein deutliches Ergebnis erzielt. Im Stadtgebiet bekunden 41,4 Prozent Nein-Stimmen gegenüber 58,6 Prozent mit "Ja" einen unerwartet großen Erfolg der Kritiker.
Insgesamt verlief der Wahlabend nach anfänglichem Tempo eher schleppend. Bis 22 Uhr fehlten zur endgültigen Stimmfestsetzung der OB-Wahl immer noch die Auszählungsergebnisse aus Bauerbach. Doch war Vaupels Ergebnis mit weit über 15.500 Stimmen so eindeutig, dass selbst die 500 Wahlberechtigten des östlichen Marburger Stadtteils nur leichte Verschiebungen hinter dem Komma hätten herbeiführen können.
Auch die bundesweite Entwicklung strahlte geradezu aus auf den Wahlabend im Historischen Saal. Der Grünen-Fraktionsvorsitzende Dietmar Göttling freute sich darüber, dass der CDU-Ministerpräsident Stefan Mappus in Baden-Württemberg voraussichtlich einer grün-roten Koalition unter seinem Parteifreund Winfried Kretschmann wird weichen müssen.
Dass Die Linke den Einzug ins Landesparlament sowohl dort als auch in Rheinland-Pfalz nicht geschafft hat, erklärte ihr OB-Kandidat Köster mit der Zuspitzung der politischen Verhältnisse auf eine Entscheidungswahl. In BaWü sei es um die Abwahl der - seit 58 Jahren herrschenden - CDU-Landesregierung gegangen, in RPL um die Wiederwahl des SPD-Ministerpräsidenten Kurt Beck.
Dass er deutlich hat Federn lassen müssen und seine Herausfordererin Julia Klöckner nur wenige Prozentpunkte hinter ihm landete, ist nicht zuletzt auch durch den dortigen Zuwachs der Grünen von knapp fünf Prozent auf nunmehr 15 Prozent zu erklären. Der Öko-Partei hat die Reaktorkatastrophe im japanischen Fukushima unzweifelhaft Auftrieb verliehen.
Letztlich kranken CDU und FDP aber an ihrer unglaubwürdigen Taktiererei in Sachen Atompolitik. Dass nicht nur Bundeskanzlerin Angela Merkel und verschiedene Vertreter der FDP die Atomkraft sie als "Brückentechnologie" mit längeren Laufzeiten ausstatten, nach der Katastrophe dann aber nur ein dreimonatiges "Moratorium" verkündet haben, dürfte sie viele Stimmen gekostet haben.
Für das magere Ergebnis des CDU-Bewerbers Stötzel und seines FDP-Mitbewerbers Behlen dürfte das aber nur nachrangig sein, wenngleich die FDP-Fraktionsvorsitzende sich über die Einflüsse der Bundespolitik beklagte. Vaupels Erfolg ist zweifelsfrei ein Ausdruck seiner großen Popularität bei der Bevölkerung, die nicht zuletzt seiner Geradlinigkeit und seinem Engagement für Kultur, Weltoffenheit und Soziale Gerechtigkeit geschuldet ist.
Franz-Josef Hanke
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