26.03.2011 (jnl)
Kann man lustvoll Theater über das Thema Krankenhaus machen? Ein Besuch bei der Impro-Soap "Marburg Hope" am Freitag (25. März) im G-werk am Afföller klärte diese Frage.
Zur Krankenhaus-Serie des
Theaters Gegenstand gehören laut Einladungstext "Liebe und Intrige, gefährliche Extrem- und gefühlvolle Intimsituationen, Kunstfehler und Wunderheilungen, dilettantische Operationen und der Kaffee danach". Ein wahrlich dschungelhafter Katalog wildester Versprechungen und Ankündigungen ist das.
Tatsächlich begrüßte die Besucher beim Hereinkommen ein Mann im Blaukittel, der sich als Hausmeister "Krause, Peter" vorstellte. Er verwickelte die Theatergäste so lange in kleine Unterhaltungen, bis er drei Stichwort-Sätze ergattert hatte.
Diese "Gegenstände" würden in der Aufführung eine bedeutende Rolle spielen, versicherte er dem Publikum. Und tatsächlich drehten sich die folgenden 40 Minuten genau um diese drei Vorgaben. Sie lauteten "Wasserski", "Irrigator" und "Psychiater sind nie da, wenn man sie braucht".
Bevor es richtig losging, liefen alle acht Darsteller einmal kurz durch den Spot-Scheinwerfer und zeigten dabei einen rollen-"typischen" Gegenstand und eine "schräge" Körperhaltung vor. Das war durchaus zum Prusten. Dazu lief aus dem Hintergrund eine knappe Erläuterung der Rollen-Namen und ihrer Berufe.
Zunächst wurde die "schicksalhaft" ständig unauffindbare Psychiaterin gesucht. Der Krankengymnast Lorenz Reissmüller irrte durch das Krankenhaus und vergoss Tränen. Als er dann endlich fündig wurde, erlebte er sein blaues Wunder.
Patient Kurt Sichtig - dauerhaft bekleidet mit einem Pyjama - erfand im Handumdrehen eine neue Klinik-Attraktion, bei der Wasserski therapeutisch eingesetzt wurde. Vorgeführt wurde das mit Kurt auf zwei Bettpfannen. Gezogen wurde er vom Krankengymnasten. Das Ganze besaß durchaus Komik.
Längst ist aus der Beschreibung der Szenen deutlich geworden, dass das Theater Gegenstand bei dieser Soap nirgends auf Realitätsbezug setzt. Alles wird aus dem Moment geboren und schnurstracks von den Darstellern improvisiert.
Aus dem - allen Beteiligten unbekannten - medizintechnischen "Irrigator", der zu Darmspülungen genutzt wird, wurde dementsprechend eine Vibrator-ähnliche Erfindung namens "Erregator". Auf Knopfdruck gaben die damit ausgestatteten Darstellerinnen erotogene Laute der Lust von sich.
Mit diesem "Teufelsspielzeug" konnte man in ständig rasch wechselnden Paarungen die aberwitzigsten Szenen herauskitzeln. Die "Krankenschwester" Luise Reuter, Buchhalter Schmittmann und in einer Joker-Rolle Alexandra Anders-Springer wirbelten dabei furios herum.
Besonders bemerkenswert ist der - in tragender Rolle als "Verwaltungsdirektor Felix Berghoff" ins Ensemble integrierte - blinde Impro-Schauspieler Thorsten Büchner. Hervorgegangen aus den Theater-Arbeitsgemeinschaften der
Deutschen Blindenstudienanstalt (BliStA) ist er ein singuläres Beispiel dafür, dass Behinderung einem erfolgreichen Theater Spielen nicht im Weg stehen muss.
Damit er bruchlos mittun konnte, hat man seine Rolle kurzerhand als Rollstuhlfahrer ausgestaltet, der von einem Zivildienstleistenden manövriert wird. Im wirklichen Leben kann der 31-jährige Marburger durchaus selber laufen, nur wäre das bei den ständigen schnellen Szenenwechseln beim Improvisationstheater nicht rasch genug.
Seit 2004 gibt es das Format "Marburg Hope - Das Krankenhaus am Ufer der Lahn". Pro Aufführung kommt man auf zwei oder mehr Soap-Folgen. Daher verwundert es denn auch nicht mehr, dass an diesem Abend die Folgen 287 und 288 über die Bühne gingen.
Die Hobby-Schauspieler legen im übrigen offenkundig Wert auf eine Nichtveröffentlichung ihrer Klarnamen. Weder auf der Website, noch auf Werbedrucken und auch nicht in der Veranstaltung selbst wurden die Schauspielernamen den Rollen zugeordnet.
Die wechselnde Besetzung, von der immer mindestens fünf Mitspieler benötigt werden, ist weiterhin hoch motiviert. Das Impro-Soap-Format erfreut sich noch bester Vitalität.
Nur die Besucherzahlen sind etwas suboptimal. Am Freitag (25. März) blieb gut die Hälfte der Plätze leer. Aber die Hoffnung trägt dieses Projekt ja schon im Namen.
Jürgen Neitzel
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