25.03.2011 (jnl)
Ein sehr plakativ auf der Titelseite der Oberhessischen Presse (OP) vom Freitag (25. März) platzierter Bericht erregte die öffentliche Aufmerksamkeit. Bürgermeister Dr. Franz Kahle wurde darin von Seiten der Jungen Union (JU) angeschuldigt, er habe "gegen Verbindungsstudenten begangene Straftaten verherrlicht".
Der Hintergrund ist, dass Kahle auf dem OP-Wahlforum eine aus den gleichen Kreisen gestellte Frage beantwortet hatte. Er hatte Verständnis dafür geäußert, dass innerhalb der Studentenschaft Unmut gegen die mangelnde Abgrenzung von Studentenverbindungen gegenüber Rechtsextremen in deren eigenen Reihen zu beobachten sei.
Daraus versuchten nun wahlkämpfende Jung-Unionisten Honig zu saugen, indem sie haarsträubende Unterstellungen daraus machten. Die Überschrift ihres verleumderischen Wahlkampf-Pamphlets lautete: "Kahle ruft auf zur Menschenjagd". Auch der OB-Kandidat der FDP, Jörg Behlen, nannte diesen Wahlkampfstil der CDU "mies".
Dass sich der Volljurist Kahle daraufhin zu einer Strafanzeige und Unterlassungserklärung veranlasst sah, war mehr als naheliegend. Wieland Stötzel, der als Rechtsanwalt eigentlich Augenmaß besitzen sollte, wird in der OP dahingehend zitiert, dass er allein "die Anzeige gegen die CDU als Unsinn" bezeichnete.
Muss man daraus den Schluss ziehen, dass der OB-Kandidat der CDU in diese miese kleine Rufmord-Kampagne von vornherein eingeweiht war? Dann muss man hoffen, dass die Wähler ihm eine schallende Quittung verpassen und er sich künftig aus der Politik wieder zurückzieht.
Leider steht aber zu befürchten, dass besonders im Landkreis diese Stimmungsmache trotz offensichtlicher Unseriosität verfängt. Egal, wie sehr an den Haaren herbeigezogen die Schmähkritik auch ist, bei unionsnahen Bürgern mag sie dennoch Vorurteile mobilisieren.
Wenig vertrauenserweckend ist allerdings auch die Handlungsweise der alteingesessenen Lokalzeitung, die seit Einstellung der Marburger Neuen Zeitung (MNZ) im November 2010 ein Monopol innehat. Ihr Eingreifen in den Kommunalwahlkampf per Unterstützung von Rufmord-Angriffen aus der CDU ist einer - sich seriös gebenden - Tageszeitung nicht angemessen.
Chefredakteur Christoph Linne war bei der - nur geringe Distanz verratenden - Platzierung dieser üblen Posse des CDU-Nachwuchses auf der Seite 1 schlecht beraten. Andererseits war auch die von der OP als Enthüllungs-"Bombe" angepriesene Verbreitung angeblicher Abwahlpläne der SPD gegen Kahle schon grenzwertig.
Die bei der CDU-nahen OP offenbar ungeliebte rot-grüne Koalition soll mit solchen schrillen Tönen wohl beim Wähler in Misskredit gebracht werden. Auch Oberbürgermeister Egon Vaupel und Die Linke kamen dort zu Wahlkampfzeiten nicht immer fair weg.
Man erinnert sich auch, dass Kahle wegen einem privaten Streit mit seinem Vermieter früher schon einmal ausgiebig und genüsslich "angeschwärzt" worden war. Den OB Vaupel hat die Tageszeitung wegen der Verfehlung eines Mitarbeiters der Stadtverwaltung ins Visier genommen, die auf die Amtszeit seines Vorgängers Dietrich Möller zurückgeht.
Wird die OP immer mehr zum springer ähnlichen Boulevardblatt? Das würde sie sicherlich viele Leser kosten.
Jürgen Neitzel
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