15.01.2008 (sts)
Mit der Bekanntgabe neuer Vorlesungszeiten ab dem Wintersemester scheint der Universitätsleitung ein unbedachter Schnellschuss und einmaliger Alleingang gelungen zu sein. Die Auswirkungen dieses Vorhabens erscheinen weitaus umfangreicher, als im universitären "Elfenbeinturm“ zuvor gedacht.
"Wir waren von der Mitteilung völlig überrascht. Das gibt eine Katastrophe“, fand Stadtwerke-Geschäftsführer Christoph Rau im Gespräch mit
marburgnews drastische Worte. Weder die Fachbereiche, noch die Stadtwerke wurden im Vorfeld über die Planungen der Universitätsverwaltung informiert.
Um die vorhandenen Raum-Kapazitäten besser auszunutzen, hat sich die Universitätsleitung dafür ausgesprochen, die Vorlesungen und Seminare ab dem Wintersemester 2008/2009 in allen Fachbereichen schon um 8.15 Uhr statt - wie bisher - um 9.15 Uhr beginnen zu lassen. Daraus ergibt sich eine neue Staffelung am Vormittag mit weiteren Anfangszeiten um 10.15 Uhr und um 12.15 Uhr. Durch diese Neuerung fällt auch die bisher "feste“ Mittagspause von 13 bis 14 Uhr weg.
"Ein Arbeitgeber kann auch nicht einfach die Mittagspause streichen. Die Universität scheinbar schon“, monierte Nina Smodila, Vorstandsmitglied der Fachschaften-Konferenz, im Gespräch mit
marburgnews. Die Mittagspause sei der einzige Zeitraum, in dem alle Studierenden gemeinsam Zeit haben, weshalb viele studentische Initiativen und Hochschulgruppen diese Zeit nutzen, um sich zu treffen. Das Streichen der Mittagspause würde deswegen jegliche studentische Selbstorganisation erheblich erschweren, führte Smodila weiter aus.
"Wir haben schon mit dem Studentenwerk über eine Verlängerung der Mensa-Zeiten gesprochen, damit alle Studierenden die Möglichkeit haben, das Mittagsangebot auch zu nutzen“, stellte Universitäts-Pressesprecherin Dr. Viola Düwert in Aussicht. Auch bisher seien die Anfangszeiten nicht überall einheitlich gewesen, so dass die sozialen Kontakte und die Arbeit studentischer Initiativen ohnehin individuell organisiert werden mussten. Zudem hätten die meisten Studenten ja keinen durchgängigen Stundenplan von morgens acht bis abends acht, so dass zwischendurch immer noch genügend Freizeit bliebe.
"Durch die zusätzlichen Einnahmen aus den Studiengebühren können neue Dozenten eingestellt werden, das Angebot erweitert und die Seminare kleiner gehalten werden. Dafür brauchen wir aber auch mehr Räume“, machte Düwert den Ausgangspunkt der Überlegungen deutlich. Aus Kostengründen habe man beispielsweise auf die Anmietung von städtischen Räumen verzichtet.
"Die bestehenden Kapazitäten reichen völlig aus“, hielt Smodila dagegen. "man braucht doch nur mal nachmittags durch das Hörsaalgebäude zu laufen und kann sehen, wie viele Räume nicht belegt sind.“
Ein weitaus größeres Problem hat die Universitätsleitung nach Düwerts Aussage allerdings noch überhaupt nicht bedacht: Die zusätzliche Belastung für den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV). Die Stadtbusse sind um acht Uhr morgens bereits durch Berufstätige und Schüler regelmäßig überfüllt. Kommen nun noch die Studierenden um diese Zeit hinzu, bricht das System endgültig zusammen.
"Wir rechnen mit 1.500 bis 2.000 Studenten für diese Zeit. Das können wir unmöglich leisten.“, machte Rau unmissverständlich deutlich. Die Initiative der Universitätsleitung sei völlig unerwartet gekommen und ebenso unverständlich. "Selbst wenn uns die Universität beauftragen und die Zusatzkosten tragen würde, könnten wir den Mehr-Verkehr nicht leisten. Wir bräuchten dazu zusätzliche Busse“, sagte Rau weiter. Es sei für ihn nicht nachvollziehbar, wie die Universität ein solches Vorhaben präsentieren könne, ohne vorab mit den Stadtwerken gesprochen zu haben.
Stephan Sonntag
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