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Oberhalb aller Erwartungen


Güttlers meisterhaftes Konzert bezauberte die Elisabethkirche

29.04.2008 (atn)
Wenn man zu einem Konzert mit Ludwig Güttler ausgerechnet auch noch in der Elisabethkirche geht, dann sind alle hohen und schönen Erwartungen im Vorfeld durchaus berechtigt. Wenn man sich an so einem Abend wie am Montag (28. April) jedoch als Rezensent unter die voll besetzten Reihen mischt, dann steckt man in einem Dilemma.
Das Blechbläser-Ensemble um Ludwig Güttler bestand aus elf Personen. Neben Güttler selbst waren Mathias Schmutzler, Volker Stegmann, Thomas Irmen und Roland Rudolph an der Trompete zu hören. Für tiefere Klänge sorgten Jörg Richter an der Alt- und Tenorposaune, Gerhard Ulfig an der Tenorposaune und Christoph Auerbach an der Tenor-Bassposaune. Hans-Werner Liemen thronte mit seiner Tuba inmitten des blechblasenden Halbrunds. Er sorgte während des Abends für Schwingungen, die weiter gingen als bis ins Ohr und etwas darüber hinaus.
Der König der Melodien an diesem Abend war jedoch – darf man es sagen? – Erich Markwart. Er verwandelte dieses Konzert, zumindest für den von ihm beschallten Teil des Publikums, von einem Ludwig-Güttler- in ein Waldhorn-Konzert. Tatsächlich zauberte Markwart nicht nur in den Spielpausen erstaunliche Mengen Kondenswasser aus den Windungen seines Instruments, er spielte auch mit einer unglaublichen Leichtigkeit und Souveränität die anspruchsvollsten Stücke. Sein Waldhorn blies dabei sanfte und doch eindringliche, aber vornehm zurückhaltende Töne in das große Schiff der Elisabethkirche.
Und hier steckt das eingangs erwähnte Dilemma. Darf man als berichtender Konzertbesucher einen Musiker mehr loben, eine künstlerische Leistung zerpflücken oder eigene Gefühle, die die Musik auslösten, allen unterstellen? Denn zweifelsohne war dieser Abend einer, der Emotionen in Gang setzte. Das Programm hatte dabei für jeden Musikgeschmack etwas vorgesehen.
Der Einstieg in den etwa zweistündigen Blasmusik-Abend wurde mit Henry Purcells "Trumpet Tune“ und "Air für Blechbläser“ gemacht. Bei der anschließenden "Partita für Blechbläser“ von Erasmus Widman feuerten die Trompeten ihre ganze Kraft in den hohen Raum. Man wunderte sich dann, wie Güttler es schaffte, neben dem Spielen auch noch sein Ensemble zu dirigieren.
Auf vier Stücke von Tommaso Albinoni folgte ein erster großer Meistername: Georg Friedrich Händel wurde in Form einer Suite aus der „Wassermusik“ wieder lebendig. Er mag wohl teilweise zu schnell gespielt worden sein, dafür aber trotzdem lupenrein. Man kann wohl einfach davon ausgehen, dass für den einen wie den anderen Künstler jeweils die meisterhaft gemachte Musik das wichtigste ist. Und dem kam das Güttlersche Trompeten-Ensemble nicht nur nahe. Das bewiesen die Musiker auch in dem letzten Stück des ersten Konzertabschnitts mit der Motette "Lobet den Herrn alle Heiden“ von Johann Sebastian Bach.
Nach einer Pause war die sehr bewegende „Sonate in As-Dur“ von Giovanni Battista Sammartini zu hören. Auf sie folgte ein Abschnitt moderner und ungewöhnlicher Klänge, zu denen Güttler ein paar einleitende Worte fand, um sie richtig gehört zu wissen. Gespielt wurden die "Chagall-Impressionen für Blechbläser“ des Leipziger Komponisten Bernd Franke. In sechs Themen sollen diese Impressionen Werke des französischen Malers Marc Chagall in Melodien wiedergeben. Dominant waren dabei – aus der Kunst übertragen – die erdigen, tiefen Töne. Die Trompeten, auch in den Musikerhänden näher am Himmel, sorgten für das hektische Geschwirre und die tiefenwirksame Dramatik.
Nach diesem ungewöhnlichen Klang-Erlebnis teilte sich das Ensemble. Einige Musiker verschwanden mitsamt ihren Instrumenten auf der Orgel-Empore und hinter dem Chor.
Was darauf folgte war eine Sarabande mit Echo – oder besser zwei Echos - von Johann Sebastian Bach. Dieses Stück war also in Teilen jeweils dreimal zu hören. Zuerst erklang es aus der Mitte des Hauptschiffes, dann aus Richtung der Orgel und zuletzt aus dem Bereich hinter dem Chor.
Diese Sarabande bezog auch die Zeit und den Raum mit in das Konzert ein. Sie machte die Dimensionen der Elisabethkirche deutlich. Man kann sogar weiterdenken und sich vorstellen, dass damit auch die Reziprozität im menschlichen Handeln angesprochen wurde.
Mit drei Sätzen aus Bachs „Englischer Suite Nr. 3“ wäre das Konzert zu Ende gewesen. Aber anscheinend war das Publikum nach den herrlichen Stücken dieses großen Komponisten, der bei jedem Konzert irgendwo im Hintergrund zu schweben und zu warten scheint, wann man ihn zum Leben erweckt, auf den Geschmack gekommen. Und so ließen sich Güttler und seine Kollegen noch bis hin zu drei Zugaben weiterklatschen, die den Trompeten noch einmal richtig die Ehre gaben.
Abschließend wallte den Musikern eine begeisterte Resonanz und ein lange währender Applaus entgegen, der ihr großes Können würdigte und für den beeindruckenden und emotionalen Musik-Abend dankte.
Anika Trebbin
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