21.03.2011 (ms)
Auf Einladung von Rosas Tour war der
Allgemeine Studierenden-Ausschuss (AStA) am Freitag (11. März) Gast bei der Filmvorführung von Rosa von Praunheims neuen Film "Wir Jungs vom Bahnhof Zoo" im Marburger Filmkunsttheater. Bei der Premiere des Dokumentarfilms auf der Berlinale erklärte ein Protagonist: "Wir wollten uns zu Wort melden, um für unsere Würde zu kämpfen".
Praunheim ist ein bekannter Regisseur und Mitbegründer der politischen Schwulenbewegung in der Bundesrepublik Deutschland. In seinem Film beleuchtet er vielseitig, individuell und dadurch kontrovers das prekäre Thema der homosexuellen Prostitution.
In dem Dokumentarfilm werden authentische Lebensgeschichten von Strichern zusammengeführt, um das Phänomen "Männliche Prostitution" losgelöst von Klischees zu zeigen. Die soziale und psychische Not, in der sich die jugendlichen Stricher - meist mit Migrations-Hintergrund - befinden, wird schonungslos von der Kamera eingefangen.
Der Film macht deutlich, welche familiären und sozialen Umstände wie Misshandlung und Missbrauch einen Einstieg in die Stricherszene begünstigen. Auch die Perspektive der Freier wird dargestellt, die oft Zuneigung und emotionale Wärme bei den "Jungs vom Bahnhof Zoo" suchen.
Der Film würdigt die engagierte Arbeit der Street Workerinnen. "Anschaffen ist anschaffen, da geht es nicht um Sexualität", erklärte die Ärztin Claudia Thomas die Einstellung einiger Prostituierter. Sie ist regelmäßig als Streetworkerin mit Kondomen und Informationsmaterial in einem weißen Lieferwagen mit der Aufschrift "Hilfe für Jungs" vom Projekt "subway" in Berlin unterwegs.
Besonders aktuell scheint der Dokumentarfilm vor dem Hintergrund der Diskussion über eine "Schuldenbremse", die am Sonntag (27. März) per Volksentscheid in der hessischen Landesverfassung verankert werden soll. Der AStA Marburg befürchtet, dass eine "Schuldenbremse" in der hessischen Landesverfassung als Blankoscheck für radikale Sparmaßnahmen im Sozialbereich genutzt werden könnte. Durch die Volksabstimmung entünde eine scheinbare Legitimation für Kürzungen in der Sozialpolitik.
Jugendlichen Strichern kann es in Deutschland über Organisationen wie "subway" oder "kiss – Hilfe für Jungs die anschaffen" in Frankfurt gelingen, ein anderes Leben anzufangen. Öffentliche Gelder für soziale Hilfestellungen sind hier bisher schon sehr rar gesät. So steht "kiss" als einzige hessische Anlaufstelle immer wieder kurz vor der Schließung.
Die Einrichtung hat bis heute keine Regelfinanzierung. Deshalb bleiben die meisten "Jungs" ihrem eigenen Schicksal überlassen, ebenso wie sie auch in ihrer Kindheit meist schon allein gelassen worden sind.
Der AStA Marburg befürchtet, dass - legitimiert durch eine "Schuldenbremse" - Einrichtungen wie "kiss" kaputt gespart werden, die Ausstiegshilfen aus der Prostitution anbieten. Diese Einrichtungen haben keine Lobby. Mit dem Thema Prostitution will offenbar kein Politiker in Verbindung gebracht werden.
Dabei ist "kiss" eine sehr notwendige psychosoziale Einrichtung, die für jugendliche Stricher die helfende Anlaufstelle ist. Schon jetzt erreicht die Hilfestellung nur eine Minderheit und der ziellose Weg ist für viele vorprogrammiert. Wenn es ihnen besser ermöglicht würde, mit Hilfe der aufsuchenden Sozialarbeit aus der Spirale der Abhängigkeit auszubrechen und ein eigenständiges Leben mit einer "guten" Arbeit aufzubauen, könnte ihnen vieles erspart bleiben.
pm: Polizei Marburg
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