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Kecke Entlarvung


Menschliche Schattenseiten im Café Vetter

21.03.2011 (mhe)
"Meine Damen und Herren, stellen Sie sich vor, wir alle wohnten an diesem Sonntagmorgen einem heiligen Konzil bei." Zugegeben, angesichts des gemütlichen Ambientes im vollbesetzten Café Vetter am Sonntag (20. März) war es gar nicht so einfach, der freundlichen Aufforderung der Marburger Autorin Brigitte Probst zu folgen. Dennoch gelang es ihr aber ziemlich schnell, die frühstückshungrigen Gäste im Rahmen der Veranstaltungsreihe "Literatur um 11“ der Neuen Literarischen Gesellschaft geschickt an den Versammlungstisch des Sündenrgister-Verwalters Papst Gregor zu holen.
Unter dem Titel "Gemischtes Gemein(sam“)es“ hatte Probst eigene Texte zusammengestellt, die die lasterhaften und sündigen Abgründe der Menschen sichtbar machen sollten. Stets gespickt mit Ironie und leisem Spott, rief sie mit ihren humorvollen und tiefgründigen Kurzgeschichten und Gedichten eine Reihe von prominenten Protagonisten auf den Plan. Sie charakterisierten oder personifizierten stellvertretend die sogenannten sieben Todsünden.
Die musikalische Interpretation hatte die ebenfalls aus Marburg stammende Sängerin und Künstlerin Ulla Keller übernommen. Dabei gab sie den vermeintlich negativen Eigenschaften der menschlichen Spezies durch ihren ausdrucksvollen Gesang aus einem breitgefächerten Repertoire sowie ihrer bühnenstarken Präsenz ein beeindruckend authentisches Gesicht.
Amüsant schonungslos wurden die Zuschauerinnen und Zuschauer also mit den unsagbaren Lastern von Gier, Rache, Neid, Wollust, Hochmut, Völlerei sowie Faulheit konfrontiert. Als Mitglied der ellustren Gesellschaft läßt Probst beispielsweise den Märchenschreiber Jakob Grimm seine Geschichte vom "Sterntaler“ ganz neu erzählen.
Hier trifft das für seine Barmherzigkeit mit einem vom Himmel fallenden Geldsegen beschenkte Kind auf Josef Ackermann. Der wittert eine gewinnbringende Geschäftsidee und verschenkt aus lauter Habsucht nach und nach seine maßgeschneiderten und wertvollen Kleidungstücke sowie Accessoires. Dass dieses Finanzmodell nicht aufging, versteht sich vermutlich von selbst.
Keller vertrat zu diesem Thema hingegen den anwesenden und wegen Gebißproblemen trotzdem abkömmlichen Grafen Grollock alias Graf Dracula. Mit kraftvoll gesungener Schwermut beschrieb sie mit dem Lied "Die unstillbare Gier“ aus dem Musical "Tanz der Vampire“ die Qual des Blutsaugers, niemals genug zu haben.
Welche Ausmaße Rachegelüste haben können, verrät eine Kurzgeschichte aus Probsts neuem Buch "Absprung“. Eine von ihrem Ehemann verlassene Frau wird von ihm und seiner neuen Verflossenen dafür abgestellt, in deren Urlaubs-Abwesenheit auf die Wohnung aufzupassen. In einem Anfall von Zorn nimmt sie die Aufgabe aber eines Tages dann doch etwas zu ernst.
Unkontrollierte Rache-Aktionen dagegen können einen im Ernstfall hinter Gitter bringen. Mit der deutschen Version des "Zellenblock-Tango“ aus dem Musical "Chicago" besang Keller in überzeugender Unschuldsmanier klingende O-Töne aus dem dortigen Gefängnis.
Auch die Deutung und Umsetzung aller übrigen menschlichen Schattenseiten war sehr unterhaltsam und teilweise kabarettreif. Die Frage nach der Bewertung der sogenannten schlechten Verhaltensweisen fand mit "Ich bin, was ich bin!“ nach Gloria Gaynors gleichnamigem englischsprachigem Original eine Mut machende Auflösung.
Mireille Henne
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