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Konservative Interpretation


Theater-Jugendclub gab "Romeo und Julia"

20.03.2011 (jnl)
Zum Himmel hoch jauchzend und zu Tode betrübt macht die Liebe. Der Theater-Jugendclub des Hessischen Landestheaters zeigte am Samstag (19. März) eine Shakespeare-Premiere auf der großen Bühne der Stadthalle.
Frank Hietscholds Inszenierung von "Romeo und Julia" in der Übertragung von Thomas Brasch sprach vor allem die Freunde des konservativ-texttreuen Theaters an. Insgesamt 23 Nachwuchs-Schauspieler im Alter von 14 bis 22 Jahren standen dafür auf der Bühne.
Sie hatten ein halbes Jahr lang geprobt, um diese Aufführung zu stemmen. Die Marburger lohnten es ihnen mit einem vollem Haus.
Die Eckpunkte des Klassikers von William Shakespeare sind wohl weithin bekannt. Eine tiefe Feindschaft zwischen den Anhängern zweier Patrizier-Sippen prägt die bessere Gesellschaft der Stadt Verona.
Die Liebe auf den ersten Blick zwischen Romeo, dem Sohn der Montagues, und Julia, der Tochter der Capulets, durchbricht die bestehenden Fronten. Beide nehmen sich aus unerfüllter Liebe mit Gift das junge Leben, weil sie einander nicht heiraten können.
Die Inszenierung folgte streng der Textvorlage. Ausgiebig zeigte Hietschold den Party-Hedonismus der wolhabenden Kreise, der aber jederzeit in Feindseligkeiten umschlagen konnte.
Das Feiern erschien trotz toller venezianischer Karnevalsmasken nicht recht glaubhaft. Die Trauer- und Kampfszenen wurden dafür aber recht ansprechend in Szene gesetzt.
Den pubertätstypischen Weltschmerz des jungen Romeo teilte er ausgiebig mit seinen Altersgenossen Benvolio und Mercutio. Martin Gerhard in der Hauptrolle bot eine ansprechende, gut artikulierte Leistung. Sein blass geschminktes Gesicht mit den kajal-betonten Augenpartien erinnerte an die Vampir-Mode der Stephenie-Meyer-Literatur.
Neben ihm agierte mit geringer Ausdruckskraft Marie-Therese Schmidt als Benvolio sowie eine charismatisch hervorstechende Bahar Özer als Mercutio. In einem glamourösen Kostüm steckend, gestaltete Özer ihre Rolle mit herausragender Bühnenpräsenz. Diese junge Frau könnte man sich auch als professionelle Schauspielerin vorstellen.
Mit Abstrichen gilt das auch für die Darsteller des Prinzen (Abhinav Sawhney) und des Capulet (Henrik Diels), die in Nebenrollen eine souveräne Leistung boten. Mimik, Gestik und Stimmführung - beinahe alles stimmte bei ihnen.
Spielfreude und eine große Textsicherheit kann man an sämtlichen Nachwuchs-Mimen der Vorstellung rühmen. Besonders einige der beteiligten Mädchen hatten allerdings etwas schwache Stimmen, sodass ihre Worte im Zuschauerraum nicht immer verständlich ankamen. An solchen Details merkte man, was der Besuch einer Schauspielschule an Stimmtraining einbringt.
Die weibliche Hauptrolle - wegen des großen Andrangs junger Frauen dreifach und wechselnd besetzt - spielte an diesem Abend Mona Rieken. Sie erwies sich als textsicher, hatte aber wenig Präsenz und setzte zu stark auf dauerndes Lächeln. Ein schöner Regie-Einfall war es, sie zu Beginn der zweiten Hälfte mit über dem Bühnenrand hängenden Kopf zu platzieren.
Auffallend beweglich und schrill tönend brachte dagegen Katharina Kutsch ihre Nebenrolle als Amme zur Geltung. Eine Sonderrolle übernahm auch Maximilian Dörbecker, der den Grafen Paris als Nebenbuhler Romeos mimte. Er hatte auch die bemerkenswerte Choreographie der Kampfszenen gestaltet.
Tolle Kostüme trugen neben Mercutio auch die Darstellerinnen des Apothekers (Lotta Janßen) und des Chors (Frederike Zech). Das Bühnenbild von Anike Sedello war einfach und zweckmäßig. Besonders schön kamen die vom Schnürboden herabhängenden roten Grableuchten während der traurig-dramatischen Endszenen. Lobend muss man auch die Ausleuchtung und die Auswahl der sparsam eingestreuten Musiktitel erwähnen.
Ob das sentimentale Drama "Romeo und Julia" wirklich so zeitlos ist wie angenommen, darf bezweifelt werden. Von den Eltern arrangierte Zwangsheiraten - wie in früheren Jahrhunderten in ganz Europa die Regel - gibt es nur mehr in traditionalistischen Einwandererfamilien.
Sich wegen Liebeskummers umzubringen, ist zum Glück in der europäischen Realität des 21. Jahrhunderts äußerst selten geworden. Zentrale Inhalte des Stücks sind also nur mehr von historischem Interesse.
Zutreffend ist hingegen, dass romantische, bedingungslose Liebe in der Vorstellungswelt der Menschen auch weiterhin eine beachtliche Rolle spielt. Viel beschworen und vom Partner gewünscht, werden Romantik und Bedingungslosigkeit jedoch selten gelebt. Ob man mit diesem Stück dieses Segment der Wirklichkeit allerdings zu packen kriegt, steht dahin.
Das Premierenpublikum zeigte sich von der Leistung des Theater-Jugendclubs allerdings ausgesprochen beeindruckt und spendete fast nicht enden wollenden Applaus. Fünfmal durften die 23 jungen Darstellerinnen und Darsteller auf die Bühne zurück und sich freudestrahlend verbeugen.
Jürgen Neitzel
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