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Wilde Mischung


Berliner Retro-Swing-Band im Café Trauma

13.03.2011 (jnl)
Ein skurriler Bandname und eine schillernde Beschreibung lockten an. Im Café Trauma an den Afföllerwiesen spielten am Samstag (12. März) die "Les Haferflocken Swingers". Die sechsköpfige Berliner Band steht für einen tanzbaren Retro-Mix aus Smoking Hot Jazz, Rock 'n Roll und Swing.
Das Konzert erwies sich als ein hochgradig partytauglicher, wilder Stilmix. Aus lange vergangenen Musikepochen wie Boogie Woogie, Calypso, Blues, der Swing-Ära der 40er Jahre und Rockabilly kamen die meisten Zutaten. Teils waren es Covers, teils eigene Stücke.
Mit einer klassischen Jazz-Instrumentierung aus Kontrabass, drei Blechbläsern, Drums und Gitarre entfachten die Berliner einen Sound weitab des heute im Jazz Üblichen. Ruhiges Zuhören war nicht angesagt, sondern Abtanzen und immer wieder Staunen über die verrückte Mixtur der Retro-Rhythmen.
Als herausragender Instrumentalist der Combo erwies sich der Posaunist und Trompeter, der ein schweißtreibendes Powerplay vorlegte. Der Belgier, der nur unter seinem Spitznamen "Bots" genannt wurde, fiel außerdem durch einen Running Gag mit seinem Opa-Stock auf.
Auch der als einziger der fünf "Expatriate"- Bandmitglieder fließend Deutsch sprechende Lette Talis Silde setzte an der Dobro-Gitarre wesentliche Akzente beim Sound. Der sehr ruhige Typ beeindruckte auch mit einer sonoren Gesangsstimme.
Ebenso zurückhaltend wirkte der Schlagzeuger Toto Wolf, der erst seit kurzem dabei ist. Mit seinem gewollt piefigen Anzug mit Krawatte wirkte er wie ein CDU-Wahlkämpfer aus dem Ländlichen. Als Drummer machte er aber einen grundsoliden Eindruck.
Für besondere Show-Einlagen hingegen sorgten die beiden Franzosen Florent Mannant an Tenorsaxophon und an der Klarinette sowie Johannes Hagenloch am Kontrabass. Das Show-Talent Mannant im feuerroten Anzug und mit Rockabilly-Ententolle hielt es manchmal nicht auf der Bühne. Hagenloch legte einen gekonnten Rock 'n Roll Solotanz vor und stemmte gelegentlich akrobatisch sein Instrument in die Höhe.
Als einzige Frau im Sextett übernahm Andrea Roberts gemeinsam mit Mannant viele Gesangsparts und die meisten Ansagen. Züchtig gekleidet in einen gestreiften Hosenanzug mit Lotsenmütze und historischen Schnürstiefeln der 20er Jahre, blies sie ihr Altsaxophon meist im Begleitsound-Modus. Von ihr und Mannant stammen die meisten eigenen Stücke. Ihre wachsamen Augen behielten zudem immer den Überblick.
Wie schon der irritierende Bandname aus französischen, deutschen und englischen Bestandteilen nahelegt, besteht die Combo ganz überwiegend aus "Expats". Berlin ist ein weltweiter Anziehungspunkt für solche Temporär-Auswanderer aus westlichen Ländern, die als junge Bohemiens oft künstlerische Neigungen haben. Und für anglophone Fremdsprachler besitzt das Wort "Haferflocken" offenbar einen Reiz des bizarren Klangs, den "Cornflakes" nicht hätte.
Laut Aussage des Gitarristen geht die Geschichte des Bandprojekts bis 2001 zurück. Zwischenzeitlich hat es aber zahlreiche Umbesetzungen erlebt.
Aus den Jahren 2007 und 2009 gibt es zwei im Eigenverlag herausgebrachte CDs. Für eine passable eigene Website außerhalb des umstrittenen und obsoleten MySpace hat es bislang nicht gereicht.
Gegenwärtig macht das Sextett eine ausgedehnte Deutschland-Tour. Die sechs Musiker, die bis auf den Drummer alle unter 30 Jahre zählen, bringen enorm viel Energie und Sinn für verrückte Crossovers aus den frühen Jahren der Popmusik mit. Durch ihren extrem tanzbaren Sound bringen sie vorurteilsfreie Besucher in Nullkommanichts in unbeschwerte Partystimmung und in "swingende" Bewegung.
Das Risiko, sich auf diese bislang vollkommen unbekannte Band einzulassen, hat sich gelohnt. Rund 70 Besucher des Konzerts, das allerdings erst eine volle Stunde nach der angegebenen Uhrzeit loslegte, machten am Ende einen hoch zufriedenen Eindruck.
Jürgen Neitzel
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