05.03.2011 (jnl)
Man hat den Eindruck, dass die Resonanz des Publikums für den Marburger Kamerapreis in den letzten Jahren ständig zugenommen hat. Weit mehr als gut gefüllt war am Freitag (4. März) die Alte Aula der
Philipps-Universität bei der Verleihung des 11. Marburger Kamerapreises.
Der Eröffnungsvortrag der Universitätspräsidentin Prof. Dr. Katharina Krause zog einen Bogen von den Bildwelten des 16. Jahrhunderts - wiedergespiegelt in den Wandgemälden der Aula - zu den weltweit wirkenden Bildermächten des 21. Jahrhunderts. Die großen Kinofilme wie "Slumdog Millionaire" erschüfen Bilder, die rund um den Globus Menschen unterschiedlichster Herkunft und Kultur erreichten. Welch eine machtvolle Fortentwicklung darin doch liege, konstatierte die Kunsthistorikerin.
Oberbürgermeister Egon Vaupel strich die überaus harmonische Zusammenarbeit von Stadt und Universität beim Marburger Kamerapreis heraus. Dieses Wochenende markiere den filmischen Höhepunkt des Jahres in der Kino-Hochburg Marburg.
Dem bei der Zeremonie anwesenden Sohn des Preisträgers, der am selben Tag seinen 14. Geburtstag feierte, spendierte man die Teilnahme an einem Bundesligaspiel der Eintracht Frankfurt am darauffolgenden Tag. Der ganze Saal stimmte in ein "Happy Birthday" für ihn ein.
Der von Prof. Dr. Karl Prümm, dem "Vater" der Marburger Kameragespräche, kurz vorgestellte Laudator Philip Gröning erwies sich als Glücksgriff. Ohne ein Manuskript zu benötigen, hielt der Autorenfilmer eine hoch spannende, gedankenreiche Preisrede über seinen Freund Anthony Dod Mantle.
Welch ein Glück es sei, in dieser Zeit, in der technisch soviel Neues und Spannendes passiere, ein Kameramann zu sein, konstatierte Gröning eingangs. Obwohl Dod Mantle die technischen Innovationen aufmerksam verfolge und ausprobiere, sei er niemals auf die Sirenengesänge der Industrietechnik hereingefallen.
An seiner Entdeckungslust und dem nie versiegenden Spaß am Rausgucken in die Welt liege es, dass er sich niemals wie schwächere Kollegen selber in die hermetische Welt der Technik-Obsession eingeschlossen habe. Bei ihm bleibe die Kameratechnik immer nur Mittel, werde nie zum Selbstzweck.
Gute Filmbilder entstünden, wenn jemand sich in das Momentum hineinwerfe. Technologie sei vor allem dazu da, Räume entstehen zu lassen.
Das Vergnügen des Filmgestalters liege nicht im erhofften oder eingetretenen Ruhm, sondern im Bilder Schaffen selbst. Dazu brauche es nicht zuletzt Instinkte und Körpergefühl, um wie Dod Mantle die Bewegungen der Gefilmten mit der Kamera durch die Kraft eigener Bewegungen einzufangen.
Die pure Schönheit eines Bildes sei übrigens auf der Bildebene durchaus störend. Da der durchschnittliche Zuschauer das Szene-Detail festzuhalten bestrebt sei, wirke ein zu schönes Bild wie ein Staupfropfen im Energiefluss der Zuschauer. Es brauche geschickte Aufbauarbeit, damit Bilder sich zurücknähmen und dienten.
Mit seinen insgesamt drei Dogma-Filmarbeiten habe Dod Mantle die hohe Kunst geübt, unter schwierigsten Lichtbedingungen dennoch herausragende Resultate zu erzielen. Sein Verzicht auf die Macht über das - gewöhnlich aufwendig bereitgestellte - Scheinwerferlicht-Optimum habe die Dinge in eine andere Lebendigkeit transponiert.
Dod Mantle liebe Herausforderungen. Bei ihm sei es nie langweilig.
Gröning wünschte sich von seinem "Freund Anthony" die Fertigstellung eines geplanten Buches mit Fotographien. Außerdem äußerte er die Hoffnung, dass es diesen Sommer gelinge, mit ihm einen weiteren eigenen Film zu drehen.
Eine filmische Collage von Matthias Michel ließ das Werk des Preisträgers noch einmal visuell Revue passieren. Als Pointe am Schluss gratulierte sein langjähriger Assistent Stefan Ciupek dem Preisträger in einer Video-Rede. Diese Collage wurde erst in letzter Minute fertiggestellt.
Für Zwischenmusiken sorgte der "Jugend-musiziert"-Preisträger Julian Sauer zusammen mit seinem Querflötenlehrer Achim Schwarz und Harald Kraehe am Flügel. Sie spielten ausgewählte Filmmusik-Stücke aus Dod Mantles Filmen.
Jürgen Neitzel
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