29.04.2008 (jnl)
Wie bringt man Folkmusik zeitgemäß auf die großen Bühnen? Eine Möglichkeit besteht darin, traditionelle Melodien und Instrumente elektronisch aufzupeppen, bis sie "rocken". Das portugiesische Quartett "Dazkarieh" zog am Dienstag (29. April) im
Kulturladen KFZ alle Register dieser Stilrichtung.
Auf ihrer ersten Deutschland-Tournee stellte die Band ihr Album "Incognita Alquimia" (Unbekannte Alchemie) vor. Die vier Musiker erwiesen sich als fähige Instrumentalisten mit Hang zu schönen Melodien und experimentellen Arrangements.
Der Besucherandrang war mit rund dreißig Leuten überschaubar. Bisher war die junge Band auf den Festivals und in den Medien hierzulande auch kaum in Erscheinung getreten. Unbekannte Namen haben es eben schwer, beim deutschen Konzert-Publikum anzukommen.
Dabei boten die Musiker eine Menge. Das mit Zugaben knapp zweistündige Konzert schlug große Bögen von traditionellem Liedmaterial zu rockigen, tanzbaren Arrangements.
Besonders der informelle Anführer der Combo, Vasco Ribeiro Casals, zeigte sich als Experimentator. Als echter Multi-Instrumentalist wechselte er beständig zwischen griechischer Bouzouki, Nyckelharpa, keltischem Dudelsack und Querflöte.
Mittels einer stolzen Anzahl elektronischer Pedal-Hilfsmitteln klangen die Stücke live wesentlich voluminöser und wuchtiger als auf dem Studio-Album.
In der Körperhaltung auf der Bühne drückte sich eher die Rock'n'Roller-Pose als die Introvertiertheit des Jazzers oder Folkmusikers aus. Breitbeinig wurde auf Tempo-Steigerung und volle Kraft voraus gesteuert. Zwischendurch übernahm Casals abwechselnd mit der Sängerin auf Englisch auch die Moderationen. Einige davon waren sogar in probeweisem Deutsch.
Die Gesangsstimme von Dazkarieh ist die von Joana Negrao. In angenehm klarer Alt-Tonlage schwelgte die langhaarige Schönheit in elegischen Tönen. Manchmal klang es nahezu orientalisch, aber immer romantisch. Die 25-jährige Sängerin ist der eigentliche musikalische Gegenpol zu Casals, dem mit 30 Jahren Ältesten der Gruppe.
Die feinfühligen Rhythmen der Gruppe stammten von dem Perkussionisten Baltazar Molina. Mit überragender Fingerfertigkeit entlockte er der Sitztrommel unter sich erstaunlich vielfältige Klangarten. Im Vergleich zu einem herkömmlichen Drummer überraschte es, mit wie wenig instrumentalem Aufwand er solche überzeugenden Resultate erzielte.
Der Vierte im Bunde war Luis Peixoto an der Irischen Bouzouki und der Mandoline. Auch er nutzte eine große Bandbreite an Pedalen, um den eigenen Sound zu generieren und stetig umzugestalten. Was er aus einer winzigen Mandoline an Klangfarben herausholte, verblüffte ein ums andere mal.
Wenn die Sängerin die flache quadratische Trommel wie einen überdimensionalen Fächer vor sich hielt und kunstfertig darauf perkussionierte, dann war das große Pose. Das ist nicht negativ gemeint. Auch als Instrumentalistin wirkte Negrao überzeugend, sogar beim lautmalenden Gesang ohne Worte.
Die meisten Stücke der Band stammten laut Auskunft von Casals aus eigener Feder. Doch immerhin dreißig Prozent der zwölf vorgestellten Titel waren echte Traditionals. Sie stammen überwiegend aus dem portugiesischen Hinterland. Mit dem Fado der Küstenregion haben sie nichts gemein.
Das Stück "Senhora da Azenha" ist sogar ein religiöses Lied, das auf dörflichen Prozessionen gesungen wurde. In der Interpretation durch Dazkarieh verwandelte es sich in eine zeitgenössische, rockige Ballade.
Andere Stücke handelten von "Meninas" (Schulmädchen) oder einem "Estrela de cinco pontas" (fünfzackigen Stern). Dieses Stück kann man auf der MySpace-Website der Band sogar nochmal anhören.
Die bei diesem unbestuhlten Konzert anwesenden Besucher ließen sich vorwiegend gern zu Mitwippen oder Tanzen bewegen. Wenn es dieser noch sehr jungen Combo aus Portugal gelingt, auf vielen europäischen Festivals Eindruck zu machen, dann werden diese durchweg exzellenten Musiker zweifellos in absehbarer Zeit Europa für sich erobern.
Jürgen Neitzel
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