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Praxis zum Prozess


Studierende beobachten Verfahren in Frankfurt

11.02.2011 (ms)
Einen neuartigen Ansatz in der juristischen Ausbildung verwirklicht das Forschungs- und Dokumentationszentrum Kriegsverbrecherprozesse der Philipps-Universität. Studentische Beobachter verfolgen als sogenannte "Monitors" das am Dienstag (18. Januar) begonnene Hauptverfahren wegen Völkermord gegen den Ruander O. R. vor dem Oberlandesgericht Frankfurt.
"Die Philipps-Universität Marburg nimmt hierbei eine Vorreiterrolle unter den Universitäten Deutschlands ein, an denen praxisnahe Ausbildungsprogramme wie die Prozessbeobachtung oder auch sogenannte Law Clinics bislang nur äußerst selten anzutreffen sind“, erläuterte Prof. Dr. Christoph Safferling. Der Jurist hat sich auf Strafrecht, Internationales Strafrecht und Völkerrecht spezialisiert. Im internationalen Strafprozess seien Monitoring-Programme ebenso üblich wie Law Clinics, die zum Angebot einer jeden Amerikanischen Law School gehören.
"Die Auswirkungen auf die Motivation der Studierenden lässt sich bereits jetzt an dem enormen Interesse für dieses Projekt ablesen“, berichtete Safferling. Unter mehr als 90 Bewerbern wurden insgesamt 30 Studierende aus unterschiedlichen Semestern der Rechtswissenschaft und der Friedens- und Konfliktforschung ausgewählt.
Auf die Tätigkeit als Prozessbeobachter wurden die Teilnehmer unter der Leitung von Safferling unter anderem durch mehrere Workshops zum Völkerstrafrecht und Strafverfahrensrecht ebenso wie zu den historischen Hintergründen Ruandas vorbereitet. Dazu kam ein erster praktischer Teil.
Er bestand aus dem Besuch eines Prozesses vor dem Schwurgericht am Landgericht Marburg. In seinem Rahmen hatten die Bewerber erste Berichte zu verfassen, die anschließend von den Projektkoordinatoren ausgewertet wurden.
Die Beobachtung des Prozesses vor dem OLG Frankfurt soll einerseits die Grundlage dafür sein, die Belastbarkeit des deutschen Strafverfahrensrechts in solchen Verfahren zu analysieren, die Makroverbrechen außerhalb Deutschlands zum Gegenstand machen. "Für das deutsche Strafprozessrecht sind solche Verfahren mit Auslandsermittlungen, Zeugen aus fremden Kulturkreisen und der Zusammenarbeit mit Regimes, deren Rechtsstaatlichkeit nicht selten bestritten wird, Neuland und bedürfen daher der genauen Beobachtung und wissenschaftlichen Auswertung“, erläuterte Safferling.
Darüber hinaus wird mit diesem Monitoring-Projekt auch ein neues praxisbezogenes Ausbildungsmodell gestartet. Die regelmäßige Teilnahme an den Verhandlungstagen als Beobachter - eng begleitet von Safferling sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Forschungs- und Dokumentationszentrums Kriegsverbrecherprozesse - macht Strafrecht und Strafprozessrecht für die Studierenden erlebbar. Anhand des praxisnahen Einblicks wird ein neues, konkretes Verständnis vermittelt.
Der Prozess in Frankfurt wird am Montag (14. Februar) fortgesetzt. Dem 53 Jahre alten ruandischen Staatsbürger O. R. wird vorgeworfen, im April 1994 zu Pogromen gegen die Tutsi-Bevölkerung aufgerufen zu haben und deshalb für die Tötung von mehr als 3.700 Angehörige der Tutsi-Minderheit verantwortlich zu sein. Strafbar ist das als Völkermord und Mord gemäß Paragraph 220a Absatz 1 Nummer 1 des Strafgesetzbuchs (StGB) und Paragraph 211 StGB sowie Anstiftung zum Völkermord und Mord. Da der Angeklagte nicht nach Ruanda ausgeliefert werden kann, wird ihm vor dem OLG Frankfurt der Prozess gemacht.
pm: Philipps-Universität Marburg
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