16.01.2011 (gac)
"Mobile Albania" schickte am Samstag (15. Januar) rund 30 Marburger auf eine Reise, die sie wohl so schnell nicht vergessen werden. Dabei begegneten sie Bussen, Eseln, Würmern, Grauzonen, Turmzeituhren und vielen äußerst kurios gekleideten Menschen. Das interaktive Unterhaltungsprogramm der etwas anderen Sorte sorgte dabei für viele Überraschungen, Verwunderung und Gelächter.
"Mobile Albania“ ist die Diplomarbeit von drei Studenten der
Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU). Mit dem Projekt schließen sie ihr Studium im Fach "Angewandte Theaterwissenschaften“ ab.
Katharina Stephan, Sarah Günther und Roland Siegland entwickeln dafür Stücke, die sie einzeln an den jeweiligen Aufführungsort anpassen, indem sie die örtlichen Möglichkeiten ausschöpfen. Das in Marburg gezeigte Stück entstand in einer Co-Produktion mit dem
Hessischen Landestheater Marburg.
Die abenteuerliche Reise begann an der Remise des ehemaligen Hochbauamtes. Bereits der Mann an der Kasse, der mit einer schrillen Pelzmütze, farbiger Weste und Ski-Anzug bekleidet war, sowie der hinter ihm parkende schmuddelige VW-Bus ließen den Besucher den Verdacht schöpfen, dass es wohl kein klassischer Theaterabend werden würde.
Dieser Verdacht erhärtete sich, als man zunächst ins Kino "Cinema" geschickt wurde, wo weitere bunte Gestalten mit schrägem Blockflötenspiel die Gäste begrüßten. Die Vorstellung begann mit einem selbstgedrehten Film, der Landschaftsaufnahmen, ein Feuerwerk, ein Ping Pong-Match und Figuren mit befremdlichen Masken zeigte. Dazu erklang Gesang sowie verschiedene Unterhaltungen, die nicht recht zu den gezeigten Bildern passen wollten. Auch der Bus tauchte erneut auf.
Die Vorstellung wurde jedoch von drei bunten Personen im tiefsten Sächsisch "aus Sicherheitsgründen“ abgebrochen. So ging es "privat und doch gemeinsam“ zurück zum Bus. Gezuckertes Popcorn sorgte für die nötige Stärkung auf dem Weg.
Auf dem Gelände des Hochbauamtes wurde die ungewöhnliche Reise fortgesetzt. Eingeteilt in drei Gruppen aus Würmern, Eseln und Mechanikern, durchliefen die Zuschauer drei Stationen, bei denen so mancher die ein oder andere ungewöhnliche Aufgabe zu lösen hatte. Außergewöhnliche und detailverliebte Konstruktionen wie ein an die Wand projiziertes Uhrwerk, kleine Esel-Plakate und alte Filmbänder überraschten an jeder Ecke.
Nach einer kleinen Rundfahrt im Bus über den Parkplatz ging es für die Zuschauer ins "Wurmloch“. Während einige Premierengäste sich auf Sitzgelegenheiten entspannten, war von anderen mehr Aktion gefordert.
Das "Wurm-Orakel“ erwählte dabei einen Spruch, der den Zuschauer zur nächsten Station seiner Reise führen sollte. Nicht jeder Teilnehmer wirkte dabei sonderlich begeistert, als er hier mit einem lebendigen Regenwurm auf der Hand ankam.
In der letzten Station fanden Würmer, Esel und Mechaniker schließlich wieder zusammen. Gemeinsam begleiteten sie in einer abschließenden Prozession über den Parkplatz einen bunt ausgestatteten Esel, der langsam hinter dem fahrenden Bus herrollte. Nach knapp zwei Stunden endete die ungewöhnliche Reise bei einem gemütlichen Beisammensein in der Gaststätte "Altes Brauhaus".
Letztendlich waren die Anwesenden mehr unfreiwillig aktive Teilnehmer als Zuschauer und der Abend eher eine Performance als ein Theaterstück. Trotz ihres abgedreht- befremdlichen Ablaufs war die Aktion doch "irgendwie cool“.
Die Idee zu dem ungewöhnlichen Projekt war den drei Studenten auf einer Busreise durch den Balkan gekommen. Nach der in Albanien gemachten Erfahrung, Grenzen nicht einfach passieren zu können, sei der Einfall zu einem mobilen Theaterstück entstanden.
Die einzig festen Elemente bei jeder Inszenierung seien der Bus und der Esel. "Ansonsten gucken wir auf unseren Reisen, was vor Ort an Elementen, Menschen und Möglichkeiten da ist", erklärte Stephan der Berichterstatterin. "Wir denken dann darüber nach und fügen die Teile anschließend zusammen. So entwickeln wir ein eigenes Projekt daraus."
Da sie komplett auf den jeweiligen Aufführungsort abgestimmt sind, unterscheiden sich alle Stücke voneinander. Zusätzlich fließen Erfahrungen, Geschichten und Dinge vergangener Stationen in die Inszenierungen mit ein.
Beispielsweise entstanden die Filmaufnahmen auf der Albanien-Reise im Sommer. Auch die am Ende verteilten Masken sind ein Mitbringsel von dieser Reise. Ein tschechischer Maler hatte sie für die drei jungen Leute entworfen.
Die Studenten wollen mit ihrem Projekt erforschen, was man mit gegebenen Elementen durch neue Zusammenführungen und Kombinationen entwickeln kann. "Für uns ist das auch eine Grenzüberschreitung und die Frage, wie weit man gehen kann", berichtete Günther.
Es handele sich aber nur um den ersten von drei Teilen einer weiteren Reise, erklärte Siegland. Beim zweiten Teil initiieren die Studenten in Gießen im März die weltweit größte Blockflöten-Bewegung. In den Sommermonaten wollen sie zum Hessischen Theatersommer wieder in Marburg sein. Bis dahin stehen weitere Reisen durch das hessische Hinterland an.
Danach wollen die drei mit ihrem Bus in Richtung Syrien aufbrechen. Auf dieser Reise werden sie zweifelsfrei eine Vielzahl von Dingen erleben und mitbringen, die viel Stoff für neue ungewöhnliche Inszenierungen bieten werden.
Giulia Coda
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