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Haarscharf vorbei


Theater-Nachwuchs kreativ ausbilden

13.01.2011 (fjh)
"Theater ist eine sehr, sehr lebendige – sich ständig verändernde – Kunst“, meint Heiner Goebbels. Seit vielen Jahren ist der Komponist, Regisseur und Autor ganz vorn an der Spitze der Veränderung in diesem Bereich.
Der Direktor des Instituts für angewandte Theaterwissenschaften in Gießen und designierte Intendant der Ruhr-Trienale diskutierte am Mittwoch (12. Januar) im Hessischen Landestheater am Schwanhof mit dessen Intendanten Matthias Faltz. Dieses 3. Hessische Theatergespräch unter dem Titel "Jung und engagiert – woher kommen die Theatermacher von morgen?“ moderierte der Kulturwissenschaftler Prof. Dr. Wolfgang Schneider von der Universität Hildesheim.
Ihn interessierte vor allem Goebbels Arbeitsweise bei der Ausbildung des Nachwuchses für das Theater. Sie sei sehr innovativ und zugleich sehr erfolgreich, wusste Schneider zusammenfassend zu berichten.
Kreativität und Vielfalt nannte Goebbels als wesentliche Punkte seines Ansatzes bei der Ausbildung junger Leute. Die Festlegung auf Regie, Schauspielkunst, Licht oder Theatermanagement sollte sich erst durch eine Praxis in den unterschiedlichsten Bereichen ergeben oder sogar überhaupt nicht.Die Arbeit in Projekten finde unabhängig von Semesterzahl und Vorerfahrungen statt.
Allerdings mache die Justus-Liebig-Universität (JLU) den Studierenden seines Fachbereichs unterschiedlichste Angebote in den Bereichen Komposition, Regie, Dramaturgie, Schauspiel, Sprache oder Schreiben.
Das Studium versteht Goebbels als Labor. Kunst bestehe darin, Neues auf die Bühne zu bringen und Leute dadurch zum Nachdenken anzuregen.
Der Erfolg gebe diesem Konzept Recht, meinte Schneider. "Rimini-Protokoll“ sei ein beredtes Beispiel dafür, wie die Suche nach neuen Formen des Theaters inzwischen schon Eingang in die klassische Theaterszene gefunden habe. Diese dreiköpfige Regie-Gruppe inszeniert Stücke über aktuelle Themen, bei denen Betroffene selbst ihre eigenen Geschichten auf der Bühne präsentieren.
Kreativität sei der Motor notwendiger Innovationen auch beim Theater, meinte Goebbels. Bei Faltz fiel dieses Plädoyer durchaus auf fruchtbaren Boden. Der Intendant des Hessischen Landestheaters zeigte sich offen für moderne Inszenierungen und für Stücke zeitgenössischer Autoren.
‚Allerdings sprach er sich auch für Vielfalt im Theater aus. Wichtig sei ihm, dem Publikum Angebote unterschiedlichster Art zu unterbreiten.
Den öffentlich subventionierten Theaterbetrieb empfinde er dabei nicht als Einschränkung. Vielmehr eröffne er ihm größere Freiräume als seine frühere Arbeit in der Freien Szene.
Absolventen des Giessener Studiengangs seien ihm ebenso willkommen wie die Abgänger anderer Studiengänge beispielsweise in Hildesheim oder Bewerber, die von renommierten Schauspielschulen wie "Ernst Busch“ in Berlin kommen. Aber sie alle müssten schon bei ihm vorsprechen, erklärte Faltz.
Erfolg gehabt hat hier eine Inszenierung von Studierenden aus Gießen. Ihre Produktion "Mobile Albania" wird am Samstag (15. Januar) in einem Bus in der Universitätsstraße 4 uraufgeführt.
Nach und nach fand auch der – anfangs professoral stockende und stammelnde – Moderator seine Form. Seinen Professorenkollegen Goebbels provozierte Schneider dann mit der Anmerkung, der Gießener Studiengang "produziere“ seine Absolventen doch "haarscharf vorbei am etablierten Stadttheater-System“.
Den berühmten Theatermacher ließ diese Bemerkung indes völlig ungerührt. Er verwies vielmehr auf das große Interesse anderer Ausbildungsstätten am Konzept seines Studiengangs.
Die Labor-Situation ermögliche den Studierenden, Neues auszuprobieren und dann in den Theatern umzusetzen. Wichtig sei aber auch dabei die Wirkung der jeweiligen Produktion auf das Publikum. "Es muss berühren“, forderte Goebbels.
Gelungen sei ihm selbst das mit seiner neuesten Produktion, obwohl während ihrer 90 Minuten kein Mensch auf der Bühne zu sehen ist. Dort befinden sich nur vier Klaviere und ein Stein. Dennoch verharre das Publikum bis zum Ende gebannt im Theater.
In Deutschland zu sehen sei diese Produktion vorerst jedoch nicht, enttäuschte Goebbels die Interessierten im Publikum. Für die knappen Etats der meisten Theater sei ein Gastspiel seiner Produktion schlichtweg zu teuer.
Franz-Josef Hanke
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