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Geurteilt


Freispruch im Atomwaffen-Prozess

25.04.2008 (sts)
"Keine Strafe ohne Gesetz", zitierte Amtsrichter Mirko Schulte in seiner Urteilsbegründung den ersten Paragrafen des Strafgesetzbuchs. Diese eiserne Regel brachte dem Angeklagten im "Marburger Atomwaffen-Prozess" am Freitag (25. April) letztlich einen Freispruch ein.
"Sie sind kein Kernwaffen-Förderer oder Atomwaffen-Bauer, aber Sie sind auch nicht der redliche Geschäftsmann mit dem Saubermann-Image, als der Sie sich hier präsentieren wollten", fand Schulte deutliche Worte für den Angeklagten.
Dem 60-jährigen Diplom-Chemiker aus dem Ebsdorfergrund war wegen versuchten Verstoßes gegen das Kriegswaffen-Kontrollgesetz der Prozess gemacht worden. Er hatte als selbständiger Unternehmer im November 2003 eine Alpha-Gamma-Spektrometrie-Anlage, mit der atomare Strahlungen gemessen werden können, nach Pakistan verkauft.
Nach Ansicht der Ermittlungsbehörden handelte es sich dabei um eine kriegswaffenfähige Anlage, die im Rahmen des pakistanischen Atomwaffen-Programms zum Einsatz gekommen sein könnte.
Dieser Vorwurf war bereits am Ende des zweiten Verhandlungstags ad acta gelegt worden, da nach Befragung mehrerer Sachverständiger der "militärische Einsatz dieses Geräts nur mit großen Einschränkungen möglich" sei, wie Oberstaatsanwalt Gert-Holger Willanzheimer in seinem Schluss-Plädoyer noch einmal betonte.
Ausgeschlossen, wie der Angeklagte während des Prozesses behauptete, sei der Einsatz im militärischen Bereich aber keineswegs. "Ich kann aber guten Gewissens nicht davon ausgehen, dass ein Land wie Pakistan diese Gerätschaften heute zum Atomwaffen-Bau einsetzt. Daher gilt, dass im Zweifel zugunsten des Angeklagten zu entscheiden ist", äußerte sich Willanzheimer abschließend zum entscheidenden Aspekt in der gesamten Verhandlung.
Die zuletzt noch in Erwägung gezogene Verurteilung des Angeklagten wegen Verstoßes gegen das Außenhandelsrecht musste die Staatsanwaltschaft ebenfalls fallen lassen. "Sie haben sämtliche Vorschriften angerempelt, aber nicht verletzt", räumte Willanzheimer ein. Gleichzeitig beklagte der Oberstaatsanwalt aber auch Gesetzeslücken in den entsprechenden Strafvorschriften.
Dennoch habe sich der Angeklagte nicht an die "gültigen Spielregeln" gehalten und sich "sein eigenes Außenwirtschaftsgesetz gemacht", fuhr Willanzheimer fort. Durch dieses grob fahrlässige Verhalten habe er die Strafverfolgung selbst verursacht. Dementsprechend könne ihm auch keine Entschädigung für die erlittenen Verluste gewährt werden. Allein den finanziellen Schaden hatte der Angeklagte auf 560.000 Euro beziffert.
Richter Schulte folgte in seinem Urteil dieser Auffassung der Staatsanwaltschaft. Die Verteidiger Michael Kühn und Eckart Hild werden nach Rücksprache mit ihrem Mandanten womöglich Beschwerde gegen diese Entscheidung erheben. Sie hatten zuvor in ihren Plädoyers die Vorwürfe von "Unredlichkeit" strikt zurückgewiesen.
"Mein Mandant hat sich an die üblichen Geschäftspraktiken gehalten", sagte Rechtsanwalt Hild. Die Papiere aller gelieferten Waren seien korrekt gewesen. Von einer Verschleierungstaktik könne keine Rede sein.
Diese Auffassung teilte das Gericht nicht. Der Angeklagte habe bewusst "unsaubere Geschäfte sauber zu machen versucht" und dabei "alle Prinzipien redlichen Geschäftsgebarens über Bord geworfen", urteilte Schulte. Dem Angeklagten sei es egal gewesen, für wen die "sensitiven" Waren bestimmt waren. Ihm sei nur wichtig gewesen, dass auf den Geschäftspapieren keine Firmen auftauchten, die im Verdacht standen, für das pakistanische Militär zu arbeiten.
"Wenn Ihnen ein dubios erscheinender Mensch an der Haustür Raubkopien anbietet und Sie ihn dazu veranlassen, in Nonnen-Tracht wiederzukommen und das Geschäft dann an der Hintertür abwickeln, dann zeigen Sie in etwa das Geschäftsgebaren des Angeklagten", fand Schulte einen abschließenden Vergleich, der zu vereinzeltem Applaus im Zuschauerraum führte.
Stephan Sonntag
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