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Traumwandlerisch


Gelungenes Neujahrskonzert in der Stadthalle.

12.01.2011 (gac)
Man hätte meinen können, die Figur von Edgar Degas Gemälde "Die Tänzerin auf der Bühne" stehe leibhaftig vor einem. So sehr glich die Frau auf der Bühne mit ihrem bodenlangen grün-rosa Seidenkleid, dem strengen Zopf und der grazilen Haltung dem Bild, das auf das Programmheft aufgedruckt war.
Doch das Bild war nicht zum Leben erweckt worden. Trotzdem war die äußere Ähnlichkeit zwischen der Harfensolistin Katrina Szederkenyi und Degas Figur verblüffend.
Anders als ihr gemaltes Abbild überzeugte Szederkenyi am Dienstag (11. Januar) in der Stadthalle jedoch nicht durch Ballett, sondern durch ihr außergewöhnliches Harfenspiel.
Hier fand das traditionelle Neujahrskonzert statt, das im Jahr 2011 gleichzeitig ein Benefiz-Konzert war. So wird mit den Einnahmen das Johann-Sebastian- Bach-Haus in Bad Hersfeld unterstützt, das in seiner Funktion als überregionale Musische Bildungsstätte auch dem Marburger Konzertchor unentbehrlich geworden ist.
Das junge tschechische Orchester "Virtuosi Brunensis" begrüßte unter der Leitung des Dirigenten Prof. Siegfried Heinrich zahlreiche Marburger musikalisch im neuen Jahr. Dazu präsentierte es ein Programm, das mit Johann Sebastian Bach, Peter Tschaikowsky und Claude Debussy von weltbekannten Instrumentalwerken der Klassik, ein barockes Maestoso über Rokoko-Klänge bis hin zur Wiener Tanzmusik eine große musikalische Vielfalt bot.
Besonders die drei namhaften Solisten Szederkenyi an der Harfe, Petr Pomkla an der Querflöte und Rouven Schirmer am Violoncello überzeugten. Rund 25 Musiker des Orchesters stimmten die Zuhörer zunächst mit der Bach-Kantate "Herz und Mund und Tat und Leben" ein. Die geistliche Kantate erklang in einer speziellen Instrumentalfassung, da man an diesem Abend auf Gesang verzichtete. Die vertrauten Klänge der triolischen Streichermelodie ließen sich dabei auch optisch durch die einheitlich- harmonischen Bogenbewegungen der Geiger erkennen.
Erinnerte die Kantate - wie von ihrem Komponisten bezweckt - noch an die Advents- und Winterzeit, so stimmte Mozarts Konzert für Flöte, Harfe und Orchester die Zuhörer schon einmal etwas auf den ersehnten Frühling ein. Obwohl sich nachwievor hartnäckig das Gerücht hält, Mozart habe weder Harfen, noch Querflöten gemocht, hätte ihn die Darbietung der beiden Solisten Szederkenyi und Pomkla möglicherweise umgestimmt. Gilt das Stück für die Flöte als eher einfach zu spielen, wird die Harfe durch eine ungünstige Stimmenbesetzung stark gefordert.
Doch Szederkenyi meisterte die Aufgabe souverän. Ohne Noten glitten ihre Finger leicht und schnell über die Seiten ihres Instruments. Dabei bildete sie eine gute Einheit mit der Querflöte, woraus sich ein ungewohntes und erfrischendes Hörerlebnis ergab.
Dem Orchester gelang es, die beiden Solisten gut zu unterstützen, indem es die zarten Klänge nicht mit Lautstärke überdeckte, gleichzeitig aber nicht neben ihnen unterging. Besonders im Allegro ergab sich daraus eine gelungene Abwechslung der Darstellung des Themas zwischen Orchester und Solisten.
Auch bei Debussys Stück "Zwei Tänze für Harfe und Streichorchester" gelang es Szederkenyi, die Zuhörer in eine akustische Märchenwelt voller neuartiger Töne zu entführen. Wurden im geistlichen "Danse sacrée" ruhigere Töne angestimmt, ging es im "Danse profane" - wie der Name schon verrät - viel weltlicher zu. Im flotten ¾-Takt führte die Harfe die rund 20 Streicher sicher durch das impressionistische Auftragswerk.
Besondere Anerkennung für seine Leistung erhielt der Cello-Solist Schirmer. Das Publikum belohnte ihn nach seiner Darbietung von Tschaikowskys "Sieben Variationen über ein Rokoko-Thema" mit lautem Applaus und sogar mit begeisterten Pfiffen und Fußgetrampel. Tatsächlich verlangt das stilistisch an das 18. Jahrhundert angelegte Werk dem Solo-Cellisten technische Bravour und Spielbrillanz ab. Konzentration und Leidenschaft waren Schirmer dabei ins Gesicht geschrieben. Ohne Noten unterhielt er das Publikum die gesamten 20 Minuten lang mit einem Kontrastprogramm aus Momenten völliger Stille und enthusiastisch-überschwenglichen Passagen.
Musikalisch sind die sieben Variationen durch Orchesterritornelle verbunden, wodurch sie praktisch eine zweite Variationenfolge bilden. Das um einige Bläser vergrößerte Orchester begleitete das Cello dabei hintergründig in verschiedenen Besetzungen durch die Variationen hindurch. Selbst Heinrich, der sonst vor allem durch seine ruhige Ausstrahlung seine Musiker durch die Stücke leitet, machte am aufschäumenden Ende kleine Luftsprünge.
Der Zuhörer hätte meinen können, die Vorstellung wäre nach Johann Strauß (Sohns) Walzer "Bei uns z" Haus" und dem "Perpetuum mobile" beendet gewesen, denn schließlich hatte Heinrich erklärt, dass man das Stück mit dem gleichbleibenden Bass, welches immer abwechselnd um neue Elemente erweitert wird, im Prinzip in der Endlos-Schleife spielen könne, und "man wolle ja irgendwann doch nochmal nach Hause".
Doch der Dirigent und die Tschechen überraschten mit einem kurzen unterhaltsamen Pizzicato-Polka sowie dem "Tanz der Komödianten" aus Bedrich Smetanas "Die verkaufte Braut", was bis heute als die tschechische Nationaloper gilt. Das gesamte Orchester legte sich hier noch einmal besonders ins Zeug und zauberte mit prächtig- kraftvollen Klängen, die an Volkslieder und Tänze erinnerten, ein Stück Tschechien in die Marburger Stadthalle. Damit rundeten die Musiker den Abend glanzvoll ab.
Giulia Coda
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