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Held mit Helm


Don Quijote als tatendurstiger Tattergreis

10.01.2011 (fjh)
"Ob es Deine Insel wirklich gibt?" Die Zweifel seiner kleinen Enkelin Marie beantwortet ihr Großvater im Brustton der Überzeugung: "Natürlich gibt es sie, weil es Dich gibt und weil Du an sie denkst!"
Die wunderbare Kraft der Phantasie steht im Mittelpunkt der neuesten Produktion des Hessischen Landestheaters Marburg. Eine moderne Umsetzung der Abenteuer des "Don Quijote" feierte am Sonntag (9. Januar) in der "Blackbox" Premiere.
Die Bühnenfassung von Fabian Sattler ist eine Persiflage auf die altbekannte Geschichte von Miguel de Cervantes und zugleich ihre Adaption für das 21. Jahrhundert. Einerseits karikiert sie den berühmten "Ritter von der traurigen Gestalt"; andererseits begleitet sie ihn und seinen Knappen bei ihren Abenteuern mit großer Empathie.
Marie möchte die Königin einer imaginären Insel sein. Doch ihre beiden Spielkameraden akzeptieren das nicht. Warum soll ausgerechnet sie dort herrschen?
"Mein Großvater hat es mir versprochen", erklärt sie zur Begründung. Dann entzweit sie sich mit den beiden.
Gemeinsam mit ihrem Großvater zieht sie als Knappe Marie Sancha aus, um gefährliche Abenteuer zu erleben. Ihr Opa ist der Ritter Don Quijote von der Mancha.
Mutig kämpft er gegen fremde Ritter, gefährliche Ungeheuer, Riesen und Zauberer. Marie begleitet ihn dabei als treuer Knappe.
Genervt reagieren Maries Eltern auf die Eskapaden des alten Herrn. Doch gelingt es ihnen nicht, das abenteuerlustige Duo von seinen phantasievollen Taten abzubringen.
Einen Jogger, der ihm im Wald begegnet, hält Maries Opa für einen feindlichen Ritter. Eine Spaziergängerin scheint die schöne Dulzinea zu sein, der er seine ritterlichen Taten gewidmet hat.
Als die Lokalzeitung von Beschädigungen an der Windmühle berichtet, ist der "verrückte" Opa Ortsgespräch. Rechnungen und Anzeigen türmen sich bei seinem Sohn, der die Nase voll hat von diesen Verrücktheiten.
Mit viel Humor hat der Autor selbst seine Bühnenfassung inszeniert. Nette Gags und Slapstick-Einlagen sorgen immer wieder für Lacher. Geradezu tattrig begibt sich Sebastian Muskalla als Don Quijote auf den Weg zu seinen Abenteuern. Zwischen dem einen oder anderen Kampf muss ihn sein Knappe oder seine Schwiegertochter auch einmal aufheben, weil er einfach umgefallen ist. War Muskalas mimische und darstellerische Leistung großartig, so zeigte er recht wenig Textsicherheit. Mehrfach musste er sich verbessern, was zweifelsohne nicht Bestandteil der auf sichtliche Senilität angelegten Rolle war.
Als seine Schwiegertochter brillierte Franziska Knetsch. Mit akzeptabel vorgetragenem südhessischen Einschlag würzte sie eine Szene, bei der Don Quijote eine Satellitenschüssel als Helm zweckentfremden wollte. Auch sonst überzeugte ihr Spiel.
Stefan Piskorz mimte den verärgerten Vater ebenso gekonnt wie den neidischen Spielfreund von Marie. Auch innerhalb der Rolle des Vaters zeigte er große Wandlungsfähigkeit.
Am schwächsten von allen vier Schauspielern war Gergana Muskalla. Obwohl sie mit der Marie die dankbarste Rolle übernommen hatte, war ihre darstellerische Leistung allenfalls guter Durchschnitt. Lediglich bei einer eher besinnlichen Szene kurz vor Schluss bewies sie ihr Können.
Ansonsten aber hat der "Don Quijote" durchaus überzeugt. Dazu trugen auch einige nette Regie-Einfälle bei, die die 80 Minuten zu einem kurzweiligen Vergnügen machten.
So wehte ein sanfter Wind durch die "Blackbox", als Don Quijote gegen die Windmühlenflügel kämpfte. Anleihen an die zeitgenössische Jugendsprache lockten vor allem bei jüngeren Zuschauern den einen oder anderen Lacher hervor.
Insgesamt war die Inszenierung jedoch eher geeignet für Erwachsene als für Kinder ab zehn Jahre. Wer die Originalgeschichte des Ritters von der traurigen Gestalt und seines Knappen Sancho Pansa kennt, dem erschloss die Übertragung ins 21. Jahrhundert eine ganze Reihe süffisant umgesetzter Modernisierungen.
Selbstverständlich können aber auch junge Leute viel Freude an dem neuesten Stück des "Jungen Theaters Marburg" haben. Sie dürften dann wohl eher die spritzigen Comedy-Effekte und die Slapstick-Einlagen genießen, mit denen vor allem die Titelrolle überzeugte.
Den jüngeren Premierengästen entlockte die Inszenierung am Ende dann auch etliche begeisterte Pfiffe, während die älteren Zuschauer eher - wenngleich auch recht langanhaltend – den gewohnt distinguierten Applaus spendeten. Beim Publikum angekommen ist dieses phantasievolle Plädoyer für Phantasie im Alltag aber allemal.
Franz-Josef Hanke
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