09.01.2011 (fjh)
Sie laufen durch die Straßen und reden halblaut vor sich hin. Manchmal ist kaum zu merken, dass sie über ihr Handy telefonieren. Freisprechanlagen machen das möglich.
Nun ist das Freie Sprechen sicherlich eine Kunst, die viel zu wenige richtig beherrschen. Stammeln und Nuscheln, inkorrekter Satzbau und nebulöse Formulierungen ohne erkennbaren Erkenntniswert sind selbst bei Politikern an der Tagesordnung. Dabe sollte das Reden doch eigentlich ihr Geschäft sein!
Doch zusehends verkommt das Reden in der Öffentlichkeit. Statt brillanter rhetorischer Sternstunden ist darunter heute nur noch das peinliche Geplapper mit der Freisprechanlagge zu verstehen.
Privatheit wird so zu öffentlicher Unterhaltung. Wer dabei mithören möchte, muss nicht einmal über geheimdienstliche Mittel verfügen.
Wer nicht alles mitbekommen möchte, was redselige Zeitgenossen im Vorbeigehen so ausplaudern, der darf fast nur noch an Straßen mit starkem Verkehrsaufkommen entlanglaufen, wo das Geräusch der vorbeibrausenden Busse und Lastwagen das Gerede der Mobiltelefonierer übertönt oder gar gänzlich unmöglich macht.
Doch Stille ist nicht das Ideal dieser rast- und drahtlosen Wanderprediger. Den Lärm in der Umwelt scheinen diese Quasselstrippen längst nicht mehr mitzubekommen.
Merkwürdig mutet es manchen an, wenn der Streit mit der Freundin oder die Verabredung mit der Geliebten so für alle hörbar wird. Selbstredend ist auch ein derartiger verbaler Striptease schon alltägliche Gewohnheit geworden.
Angesichts dieser Entwicklung dürfen diejenigen weltfremden Sonderlinge nun aber Hoffnung schöpfen, die bisher verlacht worden sind wegen ihrer Selbstgespräche. Sie müssen sich nur ein Handy mit Headset anschaffen. Wer könnte dann noch unterscheiden, ob der entgegenkommende Redner gerade telefoniert oder ob er ein Selbstgespräch führt?
Franz-Josef Hanke
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