12.01.2008 (jnl)
Mit Beherztheit einen Neuanfang für Hessen anzugehen, versprachen die Landtagskandidaten der Linken. Die Partei hatte für Freitag (11. Januar) erstmals zu einem eigenem Neujahrsempfang eingeladen. In das Kulturzentrum Waggonhalle waren rund 80 Teilnehmer gekommen, um sich bei Sekt und Laugenbrezeln auf die Landtagswahl am Sonntag (27. Januar) einzustimmen.
"Wir haben uns vorgenommen, Koch aus dem Amt zu jagen", begrüßte der junge Lokalmatador im Wahlkreis 13 die Geladenen.
In der Kürze liegt die Würze. Daher begnügte Jan Schalauske sich damit, den Zuhörern genau zwei Vorsätze für das Neue Jahr mit auf den Weg zu geben. Der erste war, den Aufmarsch der durch Roland Kochs ausländerfeindliche Wahlkampagne gerufenen Geister von der NPD am Mittwoch (16. Januar) in Marburg zu einem Misserfolg für sie zu machen. Der zweite Vorsatz war, den Rechtspopulisten Koch bei dieser Wahl aus dem Amt des hessischen Ministerpräsidenten zu verjagen.
Die folgende Rede des hessischen Linken-Spitzenkandidaten Willi van Ooyen ging mit Koch noch schärfer ins Gericht. "Für mich ist Roland Koch ein schießwütiger Gewalttäter", bekannte der langjährige Friedens-Aktivist.
Der 60-jährige begründete diese Aussage nicht allein mit der aktuellen Jugendgewalt- und Anti-Ausländer-Kampagne Kochs. "Um Gewalt von Jugendlichen zu bekämpfen, müssten die Ursachen aufgearbeitet werden", wies er auf Versäumnisse der hessischen CDU-Landesregierung in Integration und Prävention hin.
Zum Vorwurf machte van Ooyen dem amtierenden Ministerpräsidenten, dass sein langjähriger Vertrauter "Bundeskriegsminister" Franz Josef Jung plane, im Ernstfall Urlauber-Jets abzuschießen. Das wolle er trotz eines Verbots des Bundesverfassungsgerichts tun.
Außerdem sei er dabei, das militärische US-Hauptquartier von Heidelberg nach Wiesbaden zu holen. Dagegen rege sich großer Widerstand.
Auch die Verschärfung der Notstandsgesetze aus dem Hause Wolfgang Schäuble legte der Linken-Spitzenkandidat Koch mit zur Last.
"Wir müssen vor allem im Bereich der Grundversorgung der Bevölkerung die Verhältnisse grundlegend ändern", mahnte van Ooyen in seiner Stellungnahme zur Gesundheits- und Sozialpolitik. Zur Finanzierung der "Umsteuerung" empfahl er, die Steuern wieder auf eine Höhe wie zu Helmut Kohls Zeiten rückzuführen. Dann sei hinreichend Geld im Landeshaushalt vorhanden, um eine gute Politik zu machen.
Der Linken-Landtagskandidat für den westlichen Landkreis gab eine Probe seines Könnens als Satiriker und Entertainer. In einem Kabinettstück schlüpfte Pit Metz in die Rolle eines Verzweifelten. Mit einem schwarzhumorigen Offenen Brief an den hessischen Innenminister Volker Bouffier fragte er ihn, ob man seine eigene Frau steinigen dürfe.
Der Frankfurter Bundestagsabgeordnete Wolfgang Gehrke übernahm die Stafette der locker-flockigen Wahlkampfreden mit eher kämpferischen Tönen. Er warf den Grünen Wählertäuschung vor. In Frankfurt zum Beispiel plakatierten sie, sie seien gegen die neue Flughafen-Landebahn. Im Landtag hingegen hätten sie sich bei diesem Thema in Stimmenthaltung geflüchtet.
Die SPD-Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti habe angekündigt, wie eine Löwin zu kämpfen. Ihr Hauptziel sei vorgeblich, ausgerechnet die einzig echte Opposition von der Linken aus dem Landtag herauszuhalten. Gelingen werde ihr das aber nicht.
Die aktuellen Umfrage-Ergebnisse, die die Linkspartei in Hessen bei unter fünf Prozent verorteten, bezeichnete Gehrke als "bestellte" Täuschungsmanöver. Als nächstes dürfe man seitens der Hessen-CDU "olle Kamellen" wie eine Florida-Rolf-Neuauflage und eine "Kommunisten-vor-den-Türen"-Kampagne erwarten. Die Linken wären blöd, wenn sie sich gegeneinander ausspielen ließen und ihre Chancen nicht nutzten, meinte er zum Abschluss seines rhetorischen Florettfechtens.
Im Rahmenprogramm unterhielt das Jazz-Quartett "Red Wings" mit New-Orleans-Klängen aus Kornett, Kontrabass, Banjo und Klarinette. Die erste Auflage von "Das neue Jahr mit links - der andere Neujahrsempfang" war zwar nicht proppenvoll, aber gediegen.
Jürgen Neitzel
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