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Medizin kann kommen


Virologen klären Ursache für schwere Krankheitsverläufe

19.11.2010 (mhe)
Der Austausch eines einzigen Proteinbausteins genügt, damit das Schweinegrippe-Virus neue Zielzellen befällt. So können lebensbedrohliche Atemwegsbeschwerden ausgelöst werden. Das haben Wissenschaftler aus Marburg und London herausgefunden.
Die sogenannte "Neue Grippe" hat sich im vergangenen Jahr zu einer weltweiten Seuche entwickelt. Verursacht wurde sie durch das Influenza-Virus H1N1. Erst im Herbst 2010 hat die Welt-Gesundheitsorganisation (WHO) eine Pandemie-Entwarnung gegeben.
"Auch wenn die meisten Krankheitsfälle mild verliefen, verursachte das Virus mitunter schwere und sogar tödliche Infektionen“, berichteten die Autorinnen und Autoren der aktuellen Studie in der jüngsten Ausgabe der Fachzeitschrift "Journal of Virology“. Um den Grund für die gravierenden Krankheitsverläufe zu ermitteln, nahmen sich die Forscherinnen und Forscher Virusvarianten vor, bei denen ein Bestandteil des Oberflächenproteins Hämagglutinin ausgetauscht ist.
Hämagglutinin ist ein Protein, das an Rezeptoren auf der Wirtszelle bindet. Außerdem ist es daran beteiligt, dass Virushülle und Zellmembran miteinander verschmelzen, wodurch das Virusgenom ins Zellinnere gelangen kann.
Viren vermögen nur die Zellen zu infizieren, deren Rezeptoren zu den jeweiligen Hämagglutinin-Proteinen passen. Die Rezeptorvarianten verteilen sich sehr ungleich auf verschiedene Gewebe und binden Influenzaviren unterschiedlich leicht.
Die Verantwortlichen der neuen Studie untersuchten Varianten des Grippeerregers, deren Hämagglutinin-Proteine an der Position D222G mutiert sind. Dort ist genau eine Aminosäure ausgetauscht. Wer sich mit der Virusvariante ansteckt, ist besonders stark gefährdet, schwer oder gar tödlich an Grippe zu erkranken.
Wie die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nachweisen konnten, infiziert das mutierte Virus bevorzugt Zellen, die mit Flimmerhärchen oder Wimpern ausgestattet sind. Solche Zellen kleiden unter anderem Lungen und Bronchien aus. Des weiteren verfügen sie vorwiegend über eine bestimmte Rezeptorvariante.
"Es gibt einen klaren Zusammenhang zwischen der verbesserten Bindung an diesen Rezeptor und der vermehrten Infektion bewimperter Zellen“, schreiben die Verfasser um Dr. Mikhail Matrosovich und Prof. Dr. Hans-Dieter Klenk vom Institut für Virologie der Philipps-Universität. Wenn die bewimperten Zellen der Atemwege befallen sind, sei der Organismus nicht mehr in der Lage, Schleim aus der Lunge zu transportieren und auf diese Weise Keime zu entfernen.
Die veränderte Rezeptorvorliebe und Umorientierung auf bewimperte Zellen kennzeichneten einen Krankheitserreger von erhöhter Gefährlichkeit. Das unterstreiche die Notwendigkeit, die Evolution der Viren genau zu verfolgen.
Das Marburger Institut für Virologie verfügt über eines der modernsten Hochsicherheitslabore Europas. Darüber hinaus ist es an der Gründung des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZI) beteiligt.
Die Arbeitsgruppen von Klenk und Matrosovich haben vor kurzem Fördermittel der Europäischen Kommission eingeworben, um die Influenza-Forschung voranzutreiben. Klenk ist unter anderem Träger des Emil-von-Behring-Preises. Er gilt als einer der höchstdotierten deutschen Wissenschaftspreise.
pm: Philipps-Universität Marburg
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