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Verdiente Kritik


Rolf Becker rezitierte Texte über Geld

11.11.2010 (fjh)
"Geld ist wie Meerwasser: Je mehr man davon trinkt, desto durstiger wird man." Mit diesem Zitat garnierte Rolf Becker seinen kleinen Streifzug durch die Entstehung von Geld und Kapital.
Der bekannte Film-, Fernseh- und Bühnenschauspieler trug am Mittwoch (10. November) vor gut 80 Gästen in der waggonhalle sein Programm "So wird Geld verdient" vor. Eingeladen hatte das Marburger Forum – Fördergemeinschaft Friedensarbeit.
2.500 Jahre weit ging Becker zu Beginn zurück, um aus der "Antigone" des griechischen Dramatikers Sophokles zu zitieren. Schon er beschrieb, was das Geld aus Menschen macht.
Noch ein Stück ironischer wurde es anschließend bei einem Zitat aus einem Stück des griechischen Satirikers Aristophanes. Darin führt der Reichtum einen Dialog mit jemandem, der ihn gerne bei sich behalten möchte.
Eher sachlich war hingegen ein Text des griechischen Philosophen Aristoteles über den universellen Tauschwert von Geld. An ihn schloss Becker einen Kommentar des Ökonomen Karl Marx an, worin er die Überlegungen von Aristoteles aufgreift.
Den ersten Höhepunkt bildete dann eine Passage aus einer Rede des römischen Rhetorikers Marcus Tullius Cicero. Hier erntete Becker nicht nur die ersten Lacher, sondern auch das erste erstaunte Kopfschütteln und "Aha!"-Rufe.
Schon vor mehr als 2.000 Jahren wies Cicero auf die Verflechtung der Wirtschaft in Rom mit der in Asien hin. Wenn die Grundbesitzer in Asien bankrott gingen, dann bleibe das auch in Rom nicht ohne schlimme Folgen.
Begründet hatte Cicero mit seiner Brandrede allerdings einen Feldzug gegen Aufständische in der römischen Provinz "Asien". In der heutigen Türkei hatten sich die Einheimischen gegen die Pacht- und Steuerforderungen der römischen Grundbesitzer erhoben, was viele Wohlhabende in den Ruin getrieben hatte. Daraufhin brachen auch in Rom die Zinsgeschäfte zusammen.
Während Becker zu Beginn noch warm werden musste, war er jetzt voll in seinem Element. Mit seiner ganzen Person spielte er das, was er auf der Bühne vortrug.
Über Texte aus dem Mittelalter näherte er sich allmählich der Neuzeit an. Selbstverständlich durfte da auch Johann Wolfgang von Goethe nicht fehlen.
An Goethes "Faust 2" schloss Becker ein Interview mit dem Faust-Interpreten Prof. Dr. Hans Christoph Binswanger an. Der schweizer Ökonom ist einer der renommiertesten Kritiker der Geldwirtschaft.
Über das Thema "Geld und Magie" hatten Journalisten der Süddeutschen Zeitung (SZ) den Wirtschaftswissenschaftler interviewt. Voller Erstaunen hörte das Publikum in der Waggonhalle zu, was Binswanger in Anlehnung an Goethes "Faust" über das Geld sagte.
Im Mittelalter hätten die Alchimisten versucht, aus wertlosen Materialien Gold herzustellen. Heute sei dieser alte Menschheitstraum wahr geworden: Die Banker generierten Geld am Computer, ohne dass es dafür einen realen Gegenwert gebe.
Die Verblüffung der Fragesteller brachte Becker genauso sinnlich rüber wie die Aussagen des Doktorvaters von Josef Ackermann. Binswanger kritisierte die stetig wachsende Menge an Schulden, mit der zugleich auch das Buchgeld zunehme. Dieses Wachstum zwinge die Wirtschaft geradezu zur beschleunigten Ausplünderung der Natur und der Menschen, warnte er.
Nach diesem Exkurs wandte sich Becker noch einmal zurück zu Heinrich Heine, Karl Marx und Friedrich Engels. Man merkte ihm an, dass diese Texte ihm besonders gut gefielen.
Mit großer Gestik, mitreißender Mimik und abgewogener Artikulation zitierte Becker die Passagen über Geld und Macht, Armut und Ohnmacht. Auch schwierige Sätze verstand man bei seinem Vortrag mühelos.
Über Rosa Luxemburg, die den Zusammenhang zwischen Armut und abhängiger Arbeit aufzeigte, Kurt Tucholsky und Louis Aragon näherte sich Becker dann dem Dramatiker Bert Brecht. Aus dessen "Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny" zitierte er eine Passage über die Rolle des Geldes.
"Die Ermittlung" von Peter Weiß zeigte anschließend sehr drastisch den Zusammenhang zwischen Geldgier und Grausamkeit gegenüber Menschen auf. Der Dramatiker hatte in diesem Bühnentext die Protokolle des Frankfurter Auschwitz-Prozesses verdichtet, bei dem auch Wirtschaftsführer zu Zwangsarbeit und Konzentrationslagern befragt wurden.
Der letzte Text in Beckers rezitatorischem Reigen stammte von Elfriede Jellinek. Die österreichische Nobelpreisträgerin nennt darin die Namen bedeutender Banken und macht sie verantwortlich.
Langanhaltender Applaus belohnte Becker am Ende für den Abend, für den er verantwortlich gezeichnet hatte. Sein Vortrag war zugleich ein Genuss und eine Erleuchtung. Man mochte diesem großartigen Darsteller der Alten Garde gerne weiter zuhören, wenn er mit schelmischem Ausdruck weitere provokante Texte aus dem Hut zauberte.
Franz-Josef Hanke
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